- Wann liegt eine Teilnahme am Straßenverkehr vor?
- Wann gefährdet man den Straßenverkehr?
- Strafbare Verhaltensweisen im Straßenverkehr
- Welche Strafe droht bei Gefährdung des Straßenverkehrs?
- Wann droht ein Führerscheinentzug wegen Gefährdung des Straßenverkehrs?
- Wie wehre ich mich gegen den Vorwurf der Gefährdung des Straßenverkehrs?
- Fazit
1. Wann liegt eine Teilnahme am Straßenverkehr vor?
Voraussetzung für die Anwendung des § 315c StGB ist eine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr. Das ist fast immer der Fall, wenn Sie ein Fortbewegungsmittel im öffentlichen Straßenverkehr bewegen oder in sonstiger Weise nutzen (z.B. Halten an einer Ampel). Die Vorschrift gilt für motorisierte Fahrzeuge wie Autos, LKW oder Motorräder, aber auch für Fahrräder, E-Bikes, E-Scooter und sonstige Fortbewegungsmittel. Wer also im alkoholisierten Zustand zwar das Auto stehen lässt, aber stattdessen mit E-Scooter oder Fahrrad fährt, riskiert immer noch eine Strafanzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs.
§ 315c StGB erfasst viele Arten der Fortbewegung. Dabei gilt grundsätzlich die Annahme: Je größer das Risiko für den Verkehr (z.B. wegen hoher Geschwindigkeiten), desto eher ist auch eine strafbare Verkehrsgefährdung möglich.
2. Wann gefährdet man den Straßenverkehr?
Gefährdung von Leib oder Leben
Führt das verkehrswidrige Verhalten zu einer Gefahr für die Gesundheit oder sogar das Leben von anderen Verkehrsteilnehmern, Fußgängern oder sonstigen Personen, droht eine Strafbarkeit.
Beispiel: A fährt alkoholisiert von einer Party nach Hause. Dabei passiert er eine grüne Ampel. Plötzlich und unerwartet fährt ihm ein Motorradfahrer von rechts in die Fahrzeugseite. Dieser war über eine rote Ampel gefahren. A konnte den Motorradfahrer nicht sehen und hätte auch in fahrtauglichem Zustand nicht reagieren können.
Hier liegt der erforderliche Gefahrenzusammenhang zwischen der Alkoholisierung und der Gesundheitsgefährdung nicht vor. Stattdessen kommt eine Strafbarkeit wegen Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) in Betracht.
Gegenbeispiel: A fährt alkoholisiert nach Hause. 50 Meter vor ihm läuft ein Kind über die Straße. Alkoholbedingt kann A nicht mehr rechtzeitig bremsen. In nüchternem Zustand wäre er ohne Probleme rechtzeitig zum Stehen gekommen.
In diesem Fall realisiert sich die Gefahr für das Kind erst durch die Fahruntauglichkeit des A. Eine strafbare Gefährdung des Straßenverkehrs liegt daher vor.
Unter Umständen reicht es schon aus, wenn Sie die Gesundheit Ihrer Passagiere gefährden. Maßgeblich ist, ob diese mit Ihrem Fahrverhalten einverstanden sind, beziehungsweise ob sie sich in Kenntnis Ihrer Fahruntauglichkeit zur Mitfahrt entschlossen haben.
Obwohl B dadurch die Gesundheit des A grundsätzlich gefährdet hat, macht er sich nicht nach § 315c StGB strafbar, denn der A hat ihn zur Tat überredet (Anstiftung) und ist somit Tatbeteiligter. Im Übrigen kann auch eine sog. Einwilligung des A zur Gefährdung durch einen Dritten (Fremdgefährdung) vorliegen, sodass auch deshalb eine Strafbarkeit des B ausscheidet.
Wer als Mitfahrer wissentlich bei einem Betrunkenen ins Auto steigt, ohne zuvor auf diesen Einfluss zu nehmen, macht sich damit grundsätzlich nicht strafbar. Kommt es allerdings zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Beifahrer verletzt wird, trägt dieser gegebenenfalls ein Mitverschulden. Er kann daher vom alkoholisierten Fahrer im Ernstfall nicht den vollen Schadensersatz und nur ein geringeres Schmerzensgeld verlangen.
Ist der Beifahrer gleichzeitig Fahrzeughalter, droht im Übrigen eine volle Haftung im Schadensfall (§ 7 StVG) sowie ein Verlust des Versicherungsschutzes.
Gefährdung von Sachen von bedeutendem Wert
Eine strafbare Gefährdung ist auch dann möglich, wenn lediglich Sachwerte gefährdet werden. Das ist der Fall, wenn der Gegenstand einen Verkehrswert von mindestens 750 Euro hat. Im Straßenverkehr ist diese Grenze schnell erreicht, da selbst kleine Unfälle regelmäßig vierstellige Schadensbeträge am Fahrzeug des Unfallgegners verursachen.
3. Strafbare Verhaltensweisen im Straßenverkehr
Eine Gefährdung von Personen oder bedeutenden Sachwerten allein reicht für eine Strafbarkeit jedoch noch nicht aus. Zusätzlich kommt es darauf an, in welchem Zustand der Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnimmt oder, ob er – unabhängig von seinem Zustand – eine sog. Todsünde im Straßenverkehr begeht.
Fahruntauglichkeit wegen Alkohol und Drogen
Eine Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs droht, wenn der Fahrzeugführer unter Einfluss von Alkohol oder Drogen steht und deshalb fahruntauglich ist.
Nicht jeder Alkohol- oder Drogenkonsum führt dabei jedoch zu einer Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne von § 315c StGB. Vielmehr muss der Fahrzeugführer infolge von Alkohol- oder Drogenkonsum auch fahruntüchtig sein. Dies richtet sich nach den strafrechtlichen Grenzwerten:
- Absolute Fahruntauglichkeit ab 1,1 ‰ (PKW, E-Scooter, Motorrad) bzw. 1,6 ‰ (Fahrrad)
- Relative Fahruntauglichkeit ab 0,3 ‰ und zusätzlichen Ausfallerscheinungen
Eine relative Fahruntauglichkeit kann also schon frühzeitig vorliegen. Entscheidend ist, ob sich der Fahrer in der jeweiligen Situation ohne den Einfluss von Rauschmitteln anders verhalten hätte.
Bei bestimmten Verhaltensweisen liegen alkoholbedingte Ausfallerscheinungen nahe:
- Schlangenlinien fahren
- Lallen in der Polizeikontrolle
- Verzögertes Bremsverhalten
- Übertriebenes Langsamfahren
- Plötzliches Abbiegen
Entscheidend sind aber immer die Umstände des Einzelfalls.
Eine Fahruntüchtigkeit muss im Übrigen nicht zwingend auf Alkohol oder Drogen zurückgeführt werden. § 315c Abs. 1 Nr. 1b) StGB stellt auch das Fahren trotz geistiger oder körperlicher Mängel unter Strafe, wenn hierdurch eine Gefährdungslage eintritt. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein. Sie können beispielsweise in einer dauerhaften körperlichen Behinderung bestehen:
- Erheblicher Verlust der Sehfähigkeit
- Schwerhörigkeit
- Amputation eines Beines
Auch nur vorübergehende erhebliche Einschränkungen können ausreichen, wenn dadurch die Fahrtüchtigkeit so beeinträchtigt wird, das längere Strecken nicht mit der nötigen Sorgfalt und Sicherheit bewältigt werden können. Entscheidend sind dabei also die Einschränkungen im Einzelfall:
- Fiebererkrankung
- Starker Heuschnupfen
- Epilepsieanfall
- Starke Übermüdung (sog. Sekundenschlaf)
Sieben Todsünden des Straßenverkehrs
Eine Strafbarkeit droht aber auch dann, wenn Sie zwar fahrtauglich waren, aber eine der sog. Sieben Todsünden des Straßenverkehrs begangen haben.
Diese sind ausdrücklich im Gesetz definiert:
- Missachtung der Vorfahrt
- Falsches Überholen
- Falsches Fahren an Fußgängerüberwegen
- Zu schnelles Fahren an unübersichtlichen Stellen
- Nichteinhalten des Rechtsfahrgebots an unübersichtlichen Stellen
- Wenden, Rückwärtsfahren oder Fahren entgegen der Fahrtrichtung auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen
- Fehlende Kenntlichmachung eines liegengebliebenen oder haltenden Fahrzeugs
Entscheidend ist also eine Beurteilung des verkehrswidrigen Verhaltens im Einzelfall. Nicht jeder Fall der Missachtung der Vorfahrt stellt also sogleich auch ein grob verkehrswidriges Verhalten dar und ist somit potenziell strafbar.
Im Beispiel hat A zwar die Vorfahrt missachtet, dabei aber eher nicht grob verkehrswidrig gehandelt, da er sich versichert hat, dass er niemandem die Vorfahrt nimmt. Im Übrigen liegt in diesem Beispiel auch keine Gefährdung von Personen oder bedeutenden Sachwerten vor.
Daneben setzt § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB ein rücksichtsloses Verhalten voraus. Für eine Strafbarkeit ist also auch noch eine subjektive Komponente erforderlich.
Entscheidend sind die Beweggründe oder Motive des Fahrers in der konkreten Situation. Wer also gegen eine der Todsünden des Straßenverkehrs verstößt, aber dabei keinerlei böse Absichten hegte, macht sich grundsätzlich nicht strafbar.
Ob Sie im Falle eines groben Verkehrsverstoßes mit einer Strafanzeige rechnen müssen, ist nicht leicht zu beantworten. Hierzu müssen sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls berücksichtigt werden:
- Liegt überhaupt ein Verstoß gegen eine Todsünde im Straßenverkehr vor?
- Ist dieser Verstoß als grob verkehrswidrig einzuordnen?
- Ist das Fahrverhalten auch rücksichtslos gewesen?
4. Welche Strafe droht bei Gefährdung des Straßenverkehrs?
Wer eine Gefährdung des Straßenverkehrs begeht, macht sich strafbar. Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Stellt das Gericht nur ein fahrlässiges Handeln und eine fahrlässige Gefährdung fest, liegt das Höchstmaß bei einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. In der Regel droht dann jedoch nur eine Geldstrafe.
Achtung: Eine strafbare Gefährdung des Straßenverkehrs kann also auch dann vorliegen, wenn Sie nur fahrlässig gehandelt haben:
- Vertrauen auf die Fahrtauglichkeit trotz Alkoholkonsum
- Versehentliche Missachtung der Vorfahrt wegen Ablenkung
- Verschätzen beim Überholvorgang mit anschließendem Beschleunigen über die zulässige Höchstgeschwindigkeit hinaus
Außerdem reicht es aus, dass die Gefährdung von Personen oder Sachwerten fahrlässig verursacht wurde. Auf ein vorsätzliches Verhalten kommt es also nicht an. Liegt ein solches jedoch vor, wirkt sich das strafschärfend aus.
5. Wann droht ein Entzug der Fahrerlaubnis wegen Gefährdung des Straßenverkehrs?
Bei einer Verurteilung wegen einer Gefährdung des Straßenverkehrs droht immer auch ein Entzug der Fahrerlaubnis. Das Gericht kann die Einziehung der Fahrerlaubnis anordnen, wenn Sie aufgrund der Tat für das Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sind (§ 69 StGB).
Da eine Verurteilung nach § 315c StGB stets eine Gefährdung von Menschen oder bedeutenden Sachwerten voraussetzt und zusätzlich eine entsprechende Gefährdungshandlung, liegen Zweifel an der Eignung des Fahrers regelmäßig nahe.
Davon zu unterscheiden ist ein Führerscheinentzug. Damit ist in der Regel ein Fahrverbot gemeint, nach dessen Ablauf der Fahrer den Führerschein zurückerhält. Die Fahrerlaubnis wird durch das Fahrverbot also nicht berührt.
6. Wie wehre ich mich gegen den Vorwurf der Gefährdung des Straßenverkehrs?
Der Straftatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs ist komplex. Eine Verurteilung hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab:
- Welche Art von Fahrzeug wurde geführt?
- Haben Sie das Fahrzeug tatsächlich in fahruntauglichem Zustand geführt?
- Wurde eine Todsünde des Straßenverkehrs verletzt?
- Haben Sie dabei grob verkehrswidrig und rücksichtslos gehandelt?
- Lag eine Gefährdung von Personen oder wertvollen Sachen vor?
- Bestand ein Zusammenhang zwischen Ihrem Verhalten und der Gefährdung?
- Haben Sie vorsätzlich gehandelt? Kann Ihnen ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden?
All diese Fragen muss das Gericht beurteilen. Als Betroffener haben Sie somit viele verschiedene Möglichkeiten, um sich zu verteidigen. Wie die Chancen stehen, hängt stets von den Umständen im Einzelfall ab. Gerne können Sie uns für eine Ersteinschätzung kontaktieren.
7. Fazit
- Eine Gefährdung des Straßenverkehrsliegt vor, wenn der Fahrer durch sein verkehrswidriges Verhalten eine Gefahr für Personen oder wertvolle Sachen darstellt.
- Verkehrswidrig handelt, wer im fahruntauglichen Zustand am Verkehr teilnimmt oder gegen eine der sieben Todsünden des Straßenverkehrs verstößt.
- Als Grund für eine Fahruntauglichkeit kommen in erster Linie der Konsum von Drogen oder Alkohol in Betracht.
- Vorsatz ist nicht erforderlich. Ein fahrlässiges Verhalten und eine fahrlässige Gefährdung können eine Strafbarkeit bereits begründen.
- Regelmäßig droht bei einer Gefährdung des Straßenverkehrs der Entzug der Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zur Fahrzeugführung.