Strafe bei Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung nach Verkehrsunfall

Wer einen Unfall verursacht und hierbei andere Beteiligte verletzt, muss mit rechtlichen Folgen rechnen. Bereits bei einer fahrlässigen Körperverletzung drohen erhebliche Strafen.
Wann aber wird von einer fahrlässigen Körperverletzung bei einem Verkehrsunfall gesprochen? Wie verhält man sich im Ermittlungsverfahren richtig und welche Strafen sind zu erwarten? Im folgenden Beitrag klären wir diese und weitere Fragen rund um die fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr.

1. Wann liegt bei einem Verkehrsunfall eine fahrlässige Körperverletzung vor?

Die fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr hat ihre Rechtsgrundlage im allgemeinen Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 229 Strafgesetzbuch (StGB). Wer fahrlässig die Körperverletzung einer anderen Person im Straßenverkehr verursacht, muss demnach mit einer Freiheits- oder Geldstrafe rechnen.

Fahrlässig handelt,

  1. wer nicht vorsätzlich handelt (d. h. wer die Körperverletzung nicht will)
  2. wer die im (Straßen-)verkehr „erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt“ (beispielsweise alkoholisiert oder mit Handy Auto fahren, rote Ampel überfahren usw.)
  3. und dadurch eine Körperverletzung herbeiführt, die bei Beachtung der Sorgfaltspflicht (z. B.: Kein Handy!) vermeidbar gewesen wäre.

Im Strafrecht wird zwischen zwei Stufen der Fahrlässigkeit unterschieden:

Bewusste Fahrlässigkeit

= die Person hält die Körperverletzung zwar für möglich, vertraut aber letztlich darauf, dass es nicht dazu kommt („wird schon gut gehen“).

Unbewusste Fahrlässigkeit

= die Person erkennt nicht, dass es zu einer Körperverletzung kommen kann, hätte aber die Gefahr einer Körperverletzung erkennen können.

Bei einem Verkehrsunfall spielt oftmals ein unachtsames bzw. sorgfaltspflichtwidriges Verkehrsverhalten eine Rolle. Bei einem Verkehrsunfall mit Verletzten spricht also einiges dafür, dass mindestens einer der Unfallbeteiligten fahrlässig handelte und den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erfüllt hat.

Beispiel: Ein Autofahrer übersieht einen Zebrastreifen und fährt dabei versehentlich eine ältere Dame an, die gerade die Straße überqueren wollte. Wäre der Fahrer aufmerksam gefahren, hätte er den Zebrastreifen frühzeitig bemerkt, seine Geschwindigkeit gedrosselt und darauf geachtet, ob Passanten die Straße überqueren wollen. Die Verletzung der Passantin war für ihn folglich vorhersehbar und vermeidbar.

Meist geht es in diesen Fällen also weniger darum, ob eine fahrlässige Körperverletzung begangen wurde, sondern wie die genauen rechtlichen Konsequenzen für den Täter sind. Da es sich bei der fahrlässigen Körperverletzung um einen Straftatbestand handelt, hat der Unfall nicht mehr nur etwaige zivilrechtliche Folgen wie Schadensersatz und Schmerzensgeld, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen.

2. Welche Strafe droht bei fahrlässiger Körperverletzung im Straßenverkehr?

§ 229 StGB sieht als Strafmaß eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Welche Strafe droht, hängt von den genaueren Umständen ab.

Dieses Strafmaß der fahrlässigen Körperverletzung nach StGB gilt auch für jugendliche Täter, wobei die konkrete Strafe für die Körperverletzung nach dem Jugendstrafrecht im Einzelfall geringer ausfallen kann.

Das Gericht muss im Strafverfahren alle Umstände des konkreten Unfallgeschehens berücksichtigen, wie beispielsweise

  • die Schwere der Verletzungen (strafmildernd: nur leichte Verletzungen),
  • das Maß an Fahrlässigkeit (strafmildernd: geringes Maß an Fahrlässigkeit),
  • ob den Verletzten ein Mitverschulden am Unfall trifft (strafmildernd: es wird nur eine Teilschuld festgestellt)
  • möglicherweise auch eine eigene Verletzung des Unfallverursachers
  • das Nachtatverhalten des Unfallverursachers (etwa eine ernsthaft gemeinte Entschuldigung)

Auch die Vorstrafen des Täters sind relevant: Ist er bereits vorbestraft, wirkt sich dies strafverschärfend aus. Ebenso, wenn eine Fahrt unter Alkohol- oder Drogeneinfluss erfolgte.

Gefängnisstrafen von bis zu sechs Monaten werden häufig in Geldstrafen umgewandelt. Geldstrafen wiederum werden nach Tagessätzen berechnet. So entspricht beispielsweise ein Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätzen. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach dem monatlichen Nettoeinkommen des Täters, wobei Abzüge berücksichtigt werden, wie z. B. für den Kindesunterhalt.

Wer zum ersten Mal eine fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr begeht, muss meist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 Tagessätzen rechnen. Diese entsprechen insgesamt in etwa einem monatlichen Nettogehalt.

Zur Strafbarkeit ist schließlich auch der – wenngleich seltenere – Fall zu beachten, dass im Zuge der Ermittlungen ein anderer Verdacht aufkommt: Beispielsweise die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit entsprechend höherer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe.

3. Wann wird wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt?

Die fahrlässige Körperverletzung bedarf als sog. relatives Antragsdelikt zur Strafverfolgung grundsätzlich eines Strafantrags des Verletzten (§ 230 StGB). Dieser muss innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis von der Tat und der Person des Täters erfolgen, § 77b StGB. „Relatives“ Antragsdelikt heißt es deshalb, weil diese Straftat auch ohne Antrag verfolgt werden kann, die Staatsanwaltschaft aber ein „besonderes öffentliches Interesse” an der Strafverfolgung annimmt.

Das ist vergleichsweise häufig der Fall, weil es als wichtige öffentliche Aufgabe angesehen wird, Fehlverhalten im Straßenverkehr entgegenzuwirken. Hierbei kommt es aber auch auf die Schwere der Tat an:

Bei geringfügigen Verstößen und nur leichten Verletzungen des Geschädigten wird die Tat nur verfolgt, wenn der Geschädigte einen Strafantrag stellt. Die Staatsanwaltschaft wird dann ein öffentliches Interesse verneinen und das Verfahren einstellen.

Dagegen wird die Tat in schwereren Fällen auch ohne Strafantrag von Amts wegen verfolgt. Dies ist der Fall bei

  • erheblichen Verletzungen
  • einer schwerwiegenden Pflichtverletzung
  • einer Tat unter Alkohol- oder Drogeneinfluss
  • bereits vorhandener Vorbestrafung des Unfallverursachers

4. Richtiges Verhalten im Ermittlungsverfahren und was Ihr Anwalt für Sie tun kann

Wird nach einem Verkehrsunfall wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen Sie ermittelt, sollten Sie gegenüber der Polizei oder Staatsanwaltschaft von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen und nicht zum Vorfall aussagen. Kontaktieren Sie umgehend einen Rechtsanwalt für Verkehrsstrafrecht. Ihr Anwalt kann Akteneinsicht bei der Ermittlungsbehörde beantragen.

So kann er sich einen Überblick über den Stand der Dinge verschaffen, die Verteidigungsstrategie mit Ihnen abstimmen und die erforderlichen weiteren Schritte einleiten. Möglicherweise erkennt Ihr Anwalt auch, dass eine Einstellung des Verfahrens denkbar ist, ggf. gegen Zahlung einer Geldauflage.

Immer sollten Sie sich als Beschuldigter um ein tadelloses Verhalten nach dem Unfallereignis bemühen. Sie sollten sich bei dem Unfallopfer entschuldigen und bei Ihrer Versicherung, ggf. mithilfe Ihres Anwalts, für eine zügige Schadensregulierung zugunsten des Geschädigten sorgen. Diese Faktoren können strafmildernd berücksichtigt werden und möglicherweise zu einer Einstellung des Verfahrens beitragen. In der Praxis werden viele Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung auf diese Weise eingestellt, ohne dass es zu einer Verhandlung vor Gericht kommt.

5. Fahrverbot, Punkte in Flensburg, Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis – welche weiteren Strafen und Maßnahmen drohen?

Bei einer fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr kommen weitere rechtliche Folgen in Betracht:

Eintrag in das polizeiliche Führungszeugnis

Bei Ersttätern ist dies zwar regelmäßig nicht der Fall, aber bei erheblichen Pflichtverstößen auch nicht ausgeschlossen. Hierüber entscheidet das Gericht stets im jeweiligen Einzelfall. Der Eintrag der Straftat droht jedoch erst ab einer Strafe von 90 Tagessätzen bzw. einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, sofern keine Voreintragung im Bundeszentralregister besteht.

Auch im Bundeszentralregister werden Eintragungen vorgenommen, und zwar von jeder Verurteilung. In das Zentralregister erhalten jedoch nur wenige Stellen Einblick.

Bei einer Einstellung des Verfahrens mit oder ohne Geldauflage erfolgt keine Eintragung, weder im Führungszeugnis noch im Bundeszentralregister.

Punkte in Flensburg, Fahrverbot und Fahrentzug

Durch die Punktereform im Jahr 2014 wurden die Regelungen für die Punkte im Fahreignungsregister beim Kraftfahrzeug-Bundesamt geändert. Ob Punkte oder sonstige Maßnahmen gemäß Bußgeldkatalog drohen, hängt von folgenden Voraussetzungen ab:

  • Keine Punkte werden erteilt, wenn wegen der fahrlässigen Körperverletzung kein Fahrverbot erteilt wurde und kein Entzug der Fahrerlaubnis erfolgte.
  • Zwei Punkte werden in Flensburg eingetragen, wenn entsprechend § 44 StGB ein Fahrverbot von einem bis zu drei Monate erteilt wurde.
  • Drei Punkte erhalten Sie, wenn die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Das Gericht entzieht die Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB, wenn sich aus der Tat der fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Es hängt also davon ab, wie gravierend das Vergehen war und wie das Gericht im Einzelfall entscheidet. Bei einer Fahrt unter Alkoholeinfluss, die zur fahrlässigen Körperverletzung eines anderen führt, sind ein Fahrverbot oder ein Fahrentzug sehr wahrscheinlich. Dann wiederum sind auch zwei bzw. drei Punkte in Flensburg fällig.

Bußgeld

Ein Bußgeld wird bei fahrlässiger Körperverletzung nicht verhängt, da das Strafgesetzbuch mit seinen Regelungen dem Ordnungswidrigkeitenrecht vorgeht.

Etwas anderes gilt, wenn das Strafverfahren eingestellt und in ein Bußgeldverfahren übergeleitet wird. Dann kommt auch ein Punkt in Flensburg sowie ein variables Bußgeld in Betracht, dessen Höhe abhängig von den konkreten Fahrfehlern im zwei- oder dreistelligen Bereich liegt.

6. Hat der Verletzte Anspruch auf Schmerzensgeld?

Wer eine fahrlässige Körperverletzung begangen hat, muss sich nicht nur ggf. einem Strafverfahren stellen, sondern auch zivilrechtlichen Ansprüchen des Geschädigten.

Neben den üblichen Schadensersatzansprüchen wegen Sach- und Personenschaden kommt auch ein Schmerzensgeld in Betracht. Hierfür muss die Verletzung eine gewisse Schwere haben und vom Geschädigten durch ärztliches Attest belegt werden. Nicht ausreichend für einen Schmerzensgeldanspruch sind kleinere Verletzungen wie beispielsweise bloße Schürfwunden und Hämatome aufgrund leichter Prellungen.

Über den Schmerzensgeldanspruch wird in aller Regel nicht im Strafverfahren entschieden, sondern auf dem Zivilrechtsweg. Eine Ausnahme stellt das Adhäsionsverfahren dar, bei dem bereits im Strafprozess über das Schmerzensgeld und andere zivilrechtliche Ansprüche mitentschieden wird.

Bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung besteht dem Grunde nach auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld. Das Schmerzensgeld muss der Geschädigte bei dem Verursacher bzw. dessen Versicherung einfordern, denn das Schmerzensgeld wird bei fahrlässiger Körperverletzung grundsätzlich von der Haftpflichtversicherung gezahlt.

Im Streitfall wird über den Anspruch und die Höhe des Schmerzensgeldes ein Zivilgericht entscheiden.

Zur Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe orientieren sich die Gerichte an allgemeinen Schmerzensgeldtabellen. Kommt es durch den Unfall zu schweren Verletzungen, können dem Geschädigten in einem solchen Schmerzensgeldprozess auch sehr hohe Geldsummen oder eine Geldrente zugesprochen werden.

Geschädigte sollten sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen. Es gilt zu klären, welcher Verfahrensweg in Ihrem Fall sinnvoll ist und ob und in welcher Höhe Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend gemacht werden können.

7. Fazit

  • Die fahrlässige Körperverletzung bei einem Verkehrsunfall ist eine Straftat, für die eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe droht.
  • Bei nur leichten Verletzungen des Geschädigten und Pflichtwidrigkeiten des Täters kommt eine Einstellung des Verfahrens in Betracht.
  • Bei einer Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung droht zudem ein Fahrverbot oder der Entzug der Fahrerlaubnis sowie zwei bis drei Punkte in Flensburg.
  • Geschädigten steht neben Schadensersatz bei nicht geringfügigen Verletzungen ein Schmerzensgeld zu, das von der Haftpflichtversicherung des Verursachers gezahlt wird.