1. Die Beleidigung nach dem Strafgesetzbuch
Der Straftatbestand der Beleidigung ist in §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) gesetzlich geregelt.
Besonders abwertende Äußerungen stehen unter Strafe, um die Ehre einer Person zu schützen. Der Angriff auf das Rechtsgut Ehre ist damit das entscheidende Merkmal. Da die Strafbarkeit von Äußerungen eine Beschränkung der Meinungs- und Kunstfreiheit bedeuten kann, müssen die Gerichte jeden Fall individuell beurteilen.
Eine Beleidigung kann
- wörtlich, also vor allem durch verbale Beschimpfungen, die jeder einzelne als verletzend empfindet;
- schriftlich;
- bildlich durch ein Bild, ein Symbol oder eine Geste, wie bspw. der klassische Mittelfinger, oder
- durch Handlungen, wenn sie nicht bereits eine Körperverletzung darstellen, z.B. Anspucken,
erfolgen.
Wann ist eine Äußerung eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinn?
Kern der Beleidigung ist eine Äußerung, mit der jemand eine andere Person absichtlich schlechtmacht oder missachtet. Zudem muss die Äußerung geeignet sein, dass der Betroffene in der Öffentlichkeit an Respekt verliert (auch Diffamierung).
Dabei ist die Äußerung immer am Alltäglichen, wie dem üblichen Sprachgebrauch und Beziehung zwischen Opfer und Täter, zu messen. Außerdem muss der Täter das Opfer in seiner Ehre verletzen wollen oder die Diffamierung eines anderen zumindest wohl wissend hinnehmen.
Bloße Unhöflichkeiten oder Unfreundlichkeit sind in der Regel keine Beleidigungen im strafrechtlichen Sinne.
Die Äußerung muss auch durch das Opfer selbst oder andere wahrnehmbar sein. So sind beleidigende Äußerungen in einem Tagebuch, das niemand lesen soll, nicht wegen Beleidigung strafbar. Ebenso werden Äußerungen im engsten Kreis vertrauter Menschen eher nicht als Beleidigung gewertet werden.
Beleidigung auf sexueller Grundlage
Eine Beleidigung auf sexueller Grundlage hat keinen eigenen Straftatbestand. Eine sexuell herabsetzende Bewertung des Opfers fällt vielmehr ebenfalls unter § 185 StGB. Spielen auch Berührungen eine Rolle (bspw. ein Griff zwischen die Beine oder ein aufgezwungener Kuss), werden zugleich weitere Straftatbestände wie etwa sexuelle Belästigung oder Nötigung erfüllt.
Auch bei Beleidigungen auf sexueller Grundlage muss eine ehrverletzende Äußerung vorliegen. Wird eine Person bspw. als „Schlampe“ bezeichnet, dürfte hier regelmäßig eine Beleidigung auf sexueller Grundlage vorliegen. Ebenfalls können Gesten wie das Zeigen des Mittelfingers in sexueller Bedeutung oder Textnachrichten mit sexuellen Anspielungen beleidigend sein. Simple Taktlosigkeit oder anzüglicher Humor sind nicht sofort eine Beleidung auf sexueller Grundlage. Hierbei dürfte es meistens an der Herabsetzung der Betroffenen fehlen.
Beleidigung im Internet
Wer ehrverletzende Äußerungen im Internet hochlädt, muss sich bewusst sein, dass eine Internetveröffentlichung durch ihre Reichweite und Dauerhaftigkeit eine gravierende Wirkung haben kann.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.
Eine Beleidigung im Internet kann in jeder der zuvor genannten Formen erfolgen. Nicht nur beleidigende Texte (Kommentare, Postings) in sozialen Medien oder anderen Internetauftritten, sondern auch mit Fotos, Videos und Tonaufnahmen können Beleidigungen im Internet sein.
Abgrenzung zu anderen Straftaten
In einigen Fällen können Äußerungen oder Handlungen neben oder anstelle einer Beleidigung auch andere Straftaten darstellen.
- Anstelle oder mit einer Beleidigung auf sexueller Grundlage durch eine tätliche Handlung kann eine sexuelle Belästigung nach 184i StGB vorliegen, für die eine höhere Strafe droht. Die Grenzen sind hier fließend. Es wird im jeweiligen Einzelfall genau zu ermitteln sein, ob eine Berührung „nur“ eine Beleidigung oder schon eine sexuelle Belästigung ist.
- Zudem können tätliche Handlungen auch Körperverletzungen nach § 223 ff. StGB sein. Wer dem Opfer mit der vermeintlich beleidigenden Handlung Schmerzen zufügt oder sogar sichtbare Verletzungen/körperliche Veränderungen hervorruft, muss mit einer Strafe wegen Körperverletzung rechnen (bspw. Haare gegen den Willen abrasieren/abschneiden, an den Haaren ziehen, Ohrfeige).
- Die penetrante Kontaktaufnahme auch durch beleidigende Äußerungen kann ebenfalls als Nachstellung (Stalking) gem. § 238 StGB gelten. Dies trifft auch auf potentielle Beleidigungen im Internet zu, die ins Cyberstalking übergehen können.
- Hasserfüllte Äußerungen (auch im Internet) gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen können anstelle oder zusätzlich zur Beleidigung eine Volksverhetzung nach § 130 StGB darstellen, wenn die Äußerungen den öffentlichen Frieden stören kann. Die Volksverhetzung wird wesentlich höher bestraft als die Beleidigung.
- Ein Unterfall der Beleidigung ist die üble Nachrede § 186 StGB: Der Täter stellt dabei eine Tatsachenbehauptung über das Opfer auf, deren Wahrheit nicht bewiesen ist. Außerdem muss die relevante Äußerung ebenfalls geeignet sein, den Betroffenen schlecht zu machen oder öffentlich herabzuwürdigen.
- Auch die Verleumdung nach § 187 StGB ist ein Unterfall der Beleidigung. Hier wird bewusst eine unwahre Tatsache über einen anderen behauptet (Lüge). Der Betroffenen kann durch die Äußerung abgewertet oder verspottet werden oder aber seine Kreditwürdigkeit kann gefährdet werden.
2. Anzeige wegen Beleidigung
Was genau muss passieren, damit überhaupt gegen mich wegen einer bestimmten Äußerung ermittelt wird? Was bedeutet eine Anzeige wegen Beleidigung?
Zunächst ist zwischen der Strafanzeige und dem Strafantrag zu unterscheiden, § 158 StPO. Beides wird umgangssprachlich als Anzeige bezeichnet, die Unterscheidung ist jedoch wichtig.
- Eine Strafanzeige ist schlicht die Anzeige eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalts bei der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder einem Amtsgericht. Die Strafanzeige kann jeder – nicht nur das Opfer – mündlich oder schriftlich stellen. Der oder die Anzeigende kann die Anzeige nicht zurückziehen.
- Einige Straftaten werden aber nicht allein wegen einer solchen Anzeige verfolgt. Erforderlich ist auch noch ein Strafantrag, damit die Ermittlungsbehörden tätig werden. Das sind dann sogenannte Antragsdelikte.
Der Strafantrag muss durch das Opfer (gem. § 77 StGB) innerhalb von drei Monaten gestellt werden. Es erfolgt eine ausdrückliche (schriftliche) Erklärung, dass die Verfolgung der möglichen Straftat erwünscht ist. Andernfalls werden die Behörden nicht tätig. Der Strafantrag kann auch zurückgenommen werden.
Beweisbarkeit bei einer Beleidigung ohne Zeugen (Aussage gegen Aussage)
Ob eine Beleidigung bewiesen werden kann, hängt davon ab, wie und in welchem Umfeld sie erfolgt.
Bei der Verfolgung von Straftaten gilt immer der Grundsatz „in dubio pro reo“ – frei übersetzt „im Zweifel für den Angeklagten“ – und Zweifel am Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Fehlen von Beweisen) für die Strafbarkeit gelten regelmäßig zu Gunsten des Beschuldigten.
Oftmals liegt bei einer Beleidigung ein klassischer Fall von „Aussage gegen Aussage“ vor, also nur das angebliche Opfer und der Beschuldigte haben die Situation erlebt, es gibt sonst keine Zeugen oder Beweise. Hier kommt es ggf. noch auf andere Umstände an, die zum Nachweis der vom Opfer behaupteten Sachlage beitragen.
Geht jedoch irgendeine Person ohne weitere Beziehung zum Beschuldigten oder Indizien zur Polizei und behauptet, beleidigt worden zu sein, ist eine weitere Verfolgung sehr unwahrscheinlich.
Liegen hingegen beleidigende Schriftstücke oder Aufnahmen vor, können diese handfeste Beweise für eine Beleidigung sein. Der Nachweis wird bei anonymen Beleidigungen im Internet zunehmend erschwert. Allerdings haben die Ermittlungsbehörden eine Reihe von Möglichkeiten, anonyme Beleidigungen im Internet technisch zurückzuverfolgen.
Ob eine als Beleidigung bezeichnete Aussage vor Zeugen bestraft wird oder nicht, kann nicht pauschal beantwortet werden. Waren eine oder mehrere Personen in der relevanten Situation anwesend, entscheidet deren Glaubwürdigkeit und der Inhalt ihrer Aussage.
Nur weil der Täter beweisen kann, dass er mit seinen Äußerungen (Tatsachenbehauptungen) über das Opfer nicht gelogen hat, wird er noch nicht automatisch freigesprochen, § 192 StGB.
Einstellung des Verfahrens
Ein Strafverfahren kann zu jeder Zeit bis zu seinem Abschluss eingestellt werden. In der Folge wird der Beschuldigte nicht verurteilt.
- Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts: Stellt die Staatsanwaltschaft fest, dass die ermittelten Beweismittel eine Verurteilung des Beschuldigten nicht wahrscheinlicher erscheinen lassen als einen Freispruch, so stellt sie das Verfahren ein (§ 170 StPO).
- Eine Einstellung unter Auflagen und Weisungen nach § 154a StPO ist ebenfalls möglich. Dem Beschuldigten werden Maßnahmen wie die Zahlung an eine gemeinnützige Organisation oder Sozialstunden auferlegt und das Verfahren wird nicht weiter betrieben.
- Das Verfahren kann auch noch im Rahmen eines Gerichtsverfahrens wegen Geringfügigkeit oder mangels öffentlichen Interesses eingestellt werden, § 153 StPO. Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht stellt fest, dass die Schuld des Täters eher gering wäre und auch kein besonderes öffentliches Interesse an einer Verfolgung besteht. Das Opfer kann in diesem Fall mittels Privatklageverfahren vor den Strafgerichten nach §§ 374 ff. StPO die Strafverfolgung selbst übernehmen.
3. Strafe wegen Beleidigung
Wenn nun ein Strafantrag wegen Beleidigung gestellt worden ist und die Beleidigung tatsächlich nachgewiesen werden konnte, stellt sich die Frage nach der Höhe der Strafe. Möglicherweise ist eine Beleidigung nämlich dennoch straffrei.
§ 185 StGB legt zwei verschiedene Strafmaße fest:
- Eine simple Beleidigung wird mit einer Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft.
- Hat der Täter aber öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (z.B. Beleidigung im Internet oder Flyer verteilen) oder durch eine Tätlichkeit (z.B. Anspucken, Anfassen) beleidigt, sind bis zu zwei Jahre Gefängnis oder Geldstrafe möglich.
- Ob eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt wird, hängt wiederum von den Umständen der Tat und dem Täter ab: Ist der Täter bspw. bereits vorbestraft oder hat mehrfach beleidigt, wird die Strafe höher ausfallen als bei einer Person ohne kriminelle Vorgeschichte. Ersttäter dürften daher meistens noch mit einer Geldstrafe davonkommen.
- Auch die Ziele und Beweggründe für die Tat sind relevant. Spricht aus der Tat eine besonders menschenverachtende Gesinnung (z.B. Rassismus oder Sexismus), wird dies mit in die Entscheidung einfließen.
- Ebenso berücksichtigt das Gericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, die Folgen der Bestrafung für sein Leben oder seine Bemühungen zur Wiedergutmachung.
Bei wechselseitigen Beleidigungen können Beleidigungen auch gem. § 199 StGB ungestraft bleiben. Man stelle sich bspw. ein Wortgefecht vor, indem man sich im Eifer des Gefechts gegenseitig Beleidigungen an den Kopf wirft. In einer solchen Konstellation kann das Gericht beide Beleidiger oder einen der beiden freisprechen. Ob das Gericht so entscheidet, hängt von der jeweiligen Situation ab.
4. Verhaltensregeln und Verteidigungsstrategie
Beim Vorwurf einer Beleidigung ist der Kontakt zu einem erfahrenen Strafverteidiger immer ratsam. In einer solchen Situation hat jeder das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt verteidigen zu lassen und muss hierüber belehrt werden.
Wird Ihnen eine Beleidigung vorgeworfen, sind Sie nicht verpflichtet, sich zu äußern. Besprechen Sie das Vorgehen ausgiebig mit Ihrem Anwalt. Sie können auch zu einem späteren Zeitpunkt als der ersten Befragung noch selbst etwas zu Ihrer Verteidigung sagen.
Besonders relevant für Ihre Verteidigung werden die Frage der Beweise sowie die Schwere der Tat und eine mögliche Straffreiheit aufgrund einer wechselseitigen Beleidigung sein. Sollte die Beweislage sich eher zu Lasten des Täters darstellen, ist immer noch eine Einstellung unter Auflagen möglich. Auch hier wird ein Rechtsanwalt Ihnen qualifiziert Rat geben können, wie Sie mit dem kleinsten Risiko aus einem Verfahren gehen.
5. Fazit
- Eine Beleidigung kann wörtlich, schriftlich, bildlich oder durch Handlungen erfolgen, wobei die Kundgabe einer Herabwürdigung und Missachtung m Vordergrund der Äußerung stehen muss.
- Nicht jede Unhöflichkeit oder Meinungsäußerung ist eine Beleidigung. Andererseits können auch Äußerungen, die der Wahrheit entsprechen, eine Beleidigung darstellen.
- Die Beleidigung wird in der Regel nur auf Antrag einer betroffenen Person verfolgt.
- Eine einfache Beleidigung kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe bestraft werden. Bei Beleidigung im Internet drohen bis zu zwei Jahren im Gefängnis oder eine Geldstrafe.
- Wechselseitige Beleidigungen (zum Beispiel im Streit) können straffrei bleiben.
- Bei „Aussage gegen Aussage“ wird unter Umständen keine Strafverfolgung möglich sein.
- Das Verfahren kann auch (gegen Auflagen) eingestellt werden (kein Urteil).
- Beim Vorwurf der Beleidigung ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ratsam.