Dass man als Arbeitnehmer nicht erst die viel zitierten „goldenen Löffel“ gestohlen haben muss, um seinen Arbeitsplatz zu riskieren, hat sich durch entsprechende Gerichtsentscheidungen gezeigt und wird auch in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert. Doch dabei ist stets der Einzelfall zu betrachten, was die folgenden Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen.
Strafbare Handlungen rechtfertigen in aller Regel die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung gemäß § 626 BGB. Denn Straftaten stellen grundsätzlich einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar, da dem Kündigenden bei einem solchen Fehlverhalten nicht zugemutet werden kann, bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist oder eines vereinbarten Beendigungszeitpunkts das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
Der Diebstahl ist eine solche strafbare Handlung und führt daher meist zu einer fristlosen Kündigung.
1. Wann liegt ein Diebstahl vor?
Einen Diebstahl gemäß § 242 Strafgesetzbuch begeht, wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, sie sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Der Täter muss mit Zueignungsabsicht handeln, dh. also in der Absicht, sich die Sache zumindest vorübergehend anzueignen und zugleich mit dem Vorsatz, den Berechtigten um die Sache dauerhaft zu enteignen.
Diebstahl zu Lasten des Arbeitgebers berechtigt auch dann zur fristlosen Kündigung, wenn Sachen von geringem Wert entwendet worden sind. Dies wurde vom Bundesarbeitsgericht bereits 1984 in der „Bienenstich-Entscheidung“ (BAG, Urteil vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83) entschieden. Eine Bäckereifachverkäuferin hatte ohne Abstimmung mit dem Arbeitgeber ein Stück Bienenstich aus der Kuchentheke genommen und verzehrt. Zwar hielt sich der Schaden für den Arbeitgeber gering; dennoch stellt der begangene Diebstahl einen wichtigen Kündigungsgrund dar.
2. Interessenabwägung erforderlich
Allerdings ist zu beachten, dass die fristlose Kündigung nach § 626 BGB das härteste Mittel des Arbeitgebers darstellt, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen. Um ein ansonsten etwaig bestehendes Missverhältnis zwischen Pflichtverletzung und fristloser Kündigung zu korrigieren, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dies ist in § 626 Abs. 1 BGB mit der Formulierung „unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“ auch ausdrücklich vorgesehen.
Der Arbeitgeber muss daher immer prüfen, ob das Fehlverhalten des Arbeitnehmers tatsächlich einen derart erheblichen Verstoß gegen seine Vertragspflichten darstellt, dass dem nur mit einer fristlosen Kündigung begegnet werden kann.
Es müssen also die Interessen beider Parteien gegeneinander abgewogen werden. Dabei sind auf Seiten des Arbeitgebers dessen Eigentums- und Vermögensrechte zu berücksichtigen sowie sein Interesse an einem Vertrauensverhältnis zu seinem Mitarbeiter, welches durch einen Diebstahl zerstört werden kann. Auf der Seite des Arbeitnehmers sind beispielsweise dessen Position, sein familiärer Status und seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen.
3. Langjährige Betriebszugehörigkeit
Aufgrund einer solchen Interessenabwägung hat das Bundesarbeitsgericht in der sogenannten „Emmely-Entscheidung“ aus dem Jahr 2011 festgestellt, dass auch eine langjährige Beschäftigung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen ist: Es darf kein krasses Missverhältnis zwischen dem Wert der Sache und der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers bestehen.
So wurde in diesem Fall die Kündigung einer langjährigen Mitarbeiterin wegen Unterschlagung von zwei ihr nicht gehörenden Pfandbonds im Wert von 1,30 € für unwirksam erklärt (BAG, Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09).
Hier bestand keine Gefahr, dass dieses Fehlverhalten von der Arbeitnehmerin wiederholt wird oder einen Nachahmungseffekt zur Folge hat, so dass die Kündigung der Kassiererin wegen der einmaligen und geringfügigen Verfehlung unverhältnismäßig war. Sie hätte vor einer Kündigung abgemahnt werden müssen.
Die Abmahnung erweist sich daher oft als die richtige arbeitsrechtliche Maßnahme. Wenn Zweifel darüber bestehen, ob die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vorliegen, ist Arbeitgebern zu empfehlen, der fristlosen Kündigung eine Abmahnung als das mildere Mittel vorzuschalten.
4. Keine Wertgrenze bei Bagatellkündigungen
Trotz der Emmely-Entscheidung bleibt das Bundesarbeitsgericht bei seiner Rechtsprechung, nach der auch der Diebstahl geringwertiger Sachen zu einer fristlosen Kündigung führen kann. Zudem lehnt das Bundesarbeitsgericht nach wie vor ab, nach dem Wert der entwendeten oder unterschlagenen Sache zu unterscheiden und eine untere Wertgrenze zu ziehen. Denn unabhängig vom Wert der Sache begeht der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung, die nach diesen Grundsätzen selbst bei einem Wert von weniger als 5,00 € nicht akzeptabel ist und daher auch nicht durch eine Wertgrenze für das Arbeitsrecht faktisch legalisiert werden kann. So bleibt es nach der Rechtsprechung des BAG dabei, dass auch das Stehlen einer Kleinigkeit den Tatbestand des Diebstahls darstellt und den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge haben kann.
5. Auch „Müll“ darf nicht gestohlen werden
Selbst dann, wenn der Arbeitgeber Ware bereits abgeschrieben hat, darf diese nicht vom Arbeitnehmer mitgenommen werden. In einem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte eine Mitarbeiterin 62 Minifläschchen Alkohol und zwei angebrochene Rollen Küchenpapier entwendet. Es war zwar vorgesehen, dass diese Waren entsorgt werden. Dennoch bestimmt der Arbeitgeber auch bei abgeschriebenen Waren über deren Verwendung. Auch wenn er diese grundsätzlich an Mitarbeiter verschenken würde, handeln diese nach dem Urteil des Bundesarbeitsgericht grob vertragswidrig, wenn sie die Waren einfach an sich nehmen (BAG, Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 36/03).
6. Verdachtskündigung zulässig
Zu beachten ist, dass der Diebstahl nicht bewiesen werden muss, um eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Denn anders als im Strafrecht reicht es im Arbeitsrecht aus, wenn der Arbeitgeber den dringenden Verdacht eines erheblichen Pflichtverstoßes hat. Ein bloßer Verdacht reicht nicht aus, das heißt der Arbeitgeber muss bei einem Diebstahlverdacht konkret benennen können, was gestohlen wurde, von wem und unter welchen Umständen. Dazu muss er vor der Kündigung alle zumutbaren Informationsquellen ausschöpfen, um sich möglichst umfassende Gewissheit über den Pflichtverstoß zu verschaffen. Daher muss er den Arbeitnehmer zuvor zu dem Tatverdacht anhören, je nach den Umständen auch mehrfach, ihm also die Gelegenheit geben, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen und den Verdacht möglicherweise auszuräumen. Fehlen entlastende Umstände und bleibt es bei einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Arbeitnehmer den Diebstahl begangen hat, ist die Kündigung statthaft. So traf es beispielsweise einen Zugsteward, der bei einer Stichprobenkontrolle nach Dienstschluss mit drei Porzellan-Kaffeebechern und zwei Packungen Schinken in seiner Tasche erwischt wurde. Da der Arbeitgeber den Steward aufgrund der konkreten Umstände dringend eines Diebstahls verdächtigen musste, kündigte er ihn. Das Bundesarbeitsgericht hatte hieran nichts zu beanstanden, da die Kündigung wegen dringenden Verdachts erfolgte (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98).
7. Fazit
Die Rechtsprechung schützt die Eigentums- und Vermögensrechte des Arbeitgebers in hohem Maße. Diebstahl fängt schon bei Gegenständen im Centbereich an. Während im Strafrecht Verfahren wegen Diebstahls von geringwertigen Sachen oftmals wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, gibt es im Arbeitsrecht keine vergleichbare Rechtsprechung, so dass stets mit einer fristlosen Kündigung zu rechnen ist. Damit kann selbst eine entwendete Briefmarke zum Kündigungsrisiko werden. Merke: Der Diebstahl ist auch im Arbeitsrecht nie ein „Kavaliersdelikt“!