1. Wann begeht man Fahrerflucht?
Das Verbot der Fahrerflucht soll Geschädigte bei einem Unfall im Straßenverkehr davor schützen, dass sie auf ihrem Schaden sitzen bleiben. Deshalb müssen Sie als Beteiligter nach einem Unfall die Feststellung Ihrer Identität ermöglichen und dem Geschädigten so die Möglichkeit geben, Ihnen den Schaden in Rechnung zu stellen. Kommen Sie dieser Pflicht nicht nach, werden sie bestraft.
Unfallbeteiligter ist nach dem Gesetz „jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann“ (§ 142 Abs. 5 StGB). Der Begriff „Fahrerflucht“ ist somit strenggenommen falsch. Auch Fußgänger, Beifahrer und Radfahrer können Unfallbeteiligte sein.
Wie Sie genau handeln sollten, unterscheidet sich von Situation zu Situation. Bei der Unfallflucht gibt es drei mögliche Konstellationen:
- Am Unfallort anwesende Personen sind bereit, Feststellungen zum Unfall und zu Ihrer Identität zu treffen, z.B. Geschädigte, andere Unfallteilnehmer, Polizei oder zuverlässige Zeugen. Fahrerflucht liegt in dieser Situation vor, wenn Sie den Unfallort ohne Angabe Ihrer Identität und der möglichen Unfallbeteiligung verlassen.
- Am Unfallort sind keine solchen Personen anwesend. In diesem Fall müssen Sie eine angemessene Zeit warten, um doch noch Ihre Identität mitteilen zu können. Entfernen Sie sich ohne Einhaltung der Wartezeit, begehen Sie Unfallflucht. Wie lange Sie genau warten müssen, ist einzelfallabhängig.
- Sie durften den Unfallort ausnahmsweise verlassen (z.B. um ins Krankenhaus zu fahren) oder haben erfolglos gewartet. Nun müssen Sie nachträglich die Feststellung Ihrer Person ermöglichen, z.B. indem Sie die Polizei anrufen. Ansonsten droht auch hier eine Strafe wegen Fahrerflucht.
2. Fahrerflucht auch bei Bagatellschäden?
Unfallbeteiligte denken oft, bei kleineren Kratzern oder Dellen könne man unbesorgt weiterfahren. Doch das ist falsch:
Denn die Strafbarkeit der Unfallflucht soll ja gerade dafür sorgen, dass der Geschädigte für die Durchsetzung seiner Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche die notwendigen Beweise und Informationen erhält.
Auch bei kleinen Schürfwunden mag man oft noch von einem belanglosen Schaden ausgehen. Für die Belanglosigkeit gibt es aber keine feste Grenze. Außerdem können Sie bei einem Unfall oft nur schwer beurteilen, wie schwerwiegend der Schaden wirklich ist. Deshalb sollten Sie vorsichtshalber nie davon ausgehen, dass der Schaden belanglos ist und stattdessen auf Nummer sicher gehen und Ihre Pflicht erfüllen.
Darüber hinaus ist die Höhe des Schadens zunächst einmal irrelevant. Eine Fahrerflucht kommt also auch dann in Frage, wenn Sie den Schaden eher im Bagatellbereich einordnen würden, beispielsweise also nur eine kleine Delle am Außenspiegel entstand. Auch bei einem geringeren Schaden müssen Sie also eine Feststellung Ihrer Identität ermöglichen.
3. Reicht bei Bagatellen ein Zettel aus?
Gerade bei geringeren Schäden erscheint vielen Unfallbeteiligten die Wartefrist unnötig und lästig.
Wenn der Eigentümer des beschädigten Autos nicht anwesend ist, können Sie stattdessen die folgenden Maßnahmen unternehmen:
- Rufen Sie die Polizei, um den Unfall zu melden.
- Warten Sie mindestens 15, besser aber 30 Minuten auf den Eigentümer.
- Sollte dieser nicht auftauchen und haben Sie keine Möglichkeit, die Polizei zu erreichen, können Sie nach der Wartefrist zwar weiterfahren, Sie müssen den Unfall aber so bald wie möglich der nächsten Polizeidienststelle melden.
Wenn Sie diese Schritte unternehmen, sind Sie in aller Regel auf der sicheren Seite. Zusätzlich können Sie dem Geschädigten auch einen Zettel auf der Windschutzscheibe hinterlassen. Dieser Zettel allein reicht jedoch nicht aus, sondern hilft nur, den Kontakt mit dem Geschädigten zu erleichtern.
4. Strafe für Unfallflucht bei Bagatellschäden
Bei Unfallflucht droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe (§ 142 Abs. 1 StGB). Ob eine Geld- oder Gefängnisstrafe verhängt wird und wie hoch diese Strafe ausfällt, hängt stark von den konkreten Umständen ab.
Auch bei Bagatellschäden ist das Entfernen vom Unfallort grundsätzlich strafbar. Ein niedriger Schaden spricht zwar oft, aber nicht immer für eine niedrigere Strafe. Denn die Höhe des Schadens ist nur einer von vielen Faktoren bei der Bestimmung des Strafmaßes. Beispielsweise wird auch ihr Verhalten nach der Tat betrachtet. Die Grenzen zwischen Bagatellschaden und „richtigem“ Unfallschaden sind zudem fließend. Es lässt sich also keine feste Einteilung in schwerwiegende und weniger schwerwiegende Fälle vornehmen.
Neben Geld- oder Freiheitsstrafe können weitere Konsequenzen wie der Entzug der Fahrerlaubnis und Punkte in Flensburg drohen. Bei Unfallflucht in der Probezeit drohen weitere Sanktionen.
5. Ist eine Selbstanzeige sinnvoll?
In manchen Fällen sind Unfallbeteiligte vom Zusammenstoß zunächst so geschockt, dass sie aus Angst vor Konsequenzen weiterfahren. In der Regel wird damit der Tatbestand der Unfallflucht erfüllt. Nur in wenigen Fällen ist ein Entfernen ohne Wartepflicht erlaubt, zum Beispiel wenn Sie wegen einer Verletzung ins Krankenhaus müssen. Nach dem ersten Schock holt die meisten Betroffenen das schlechte Gewissen ein. Aber lässt sich in solchen Fällen noch etwas gut machen?
Ja, denn das Gesetz sieht die sogenannte „tätige Reue“ vor (§ 142 Abs. 4 StGB). Unter den folgenden Voraussetzungen kann das Gericht von der Strafe absehen oder sie mildern:
- Es handelte sich um einen Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs (z.B. auf einem Supermarkt-Parkplatz).
- Sie melden sich innerhalb von 24 Stunden bei der Polizei oder dem Geschädigten und geben Ihre Identität und den Unfallhergang an.
- Es ist kein bedeutender Sachschaden entstanden. Als Grenze werden hier ungefähr 1.300 € angenommen.
- Die Selbstanzeige erfolgt freiwillig. Eine Strafmilderung scheidet aus, wenn die Polizei Ihnen schon auf die Schliche gekommen ist.
6. Zahlt die Versicherung bei Fahrerflucht?
Ihre KFZ-Haftpflicht-Versicherung übernimmt zwar zunächst den Schaden am Auto der geschädigten Person, im zweiten Schritt kann die Versicherung das Geld jedoch von Ihnen zurückfordern. Diese Rückforderung ist auf 5.000 € begrenzt.
Die Schäden an Ihrem eigenen Fahrzeug werden hingegen gar nicht von der Haftpflicht-Versicherung übernommen (wie üblich). Außerdem kann Ihnen die Haftpflicht-Versicherung unter Umständen den Versicherungsvertrag kündigen, weil Sie mit der Fahrerflucht gegen vertragliche Pflichten verstoßen haben. Dasselbe gilt für die Kaskoversicherung Ihres Fahrzeugs.
7. Fazit
- Auch bei Kratzern, Blechschäden oder einem abgefahrenen Außenspiegel ist das unerlaubte Entfernen vom Unfallort kein Kavaliersdelikt, sondern eine „richtige“ Straftat.
- Selbst bei kleineren Schäden sollten Sie eine angemessene Zeit auf den Eigentümer des beschädigten Autos warten, um sich nicht strafbar zu machen.
- Es genügt nicht, einen Zettel auf die Windschutzscheibe zu klemmen. Stattdessen sollten Sie die Wartefrist einhalten bzw. die Polizei kontaktieren.
- Bei Bagatellschäden kann die Strafe für Fahrerflucht geringer ausfallen. Das ist jedoch nicht immer der Fall.
- Eine Selbstanzeige innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall mit geringem Sachschaden außerhalb des fließenden Verkehrs kann zu einer Strafmilderung oder sogar zu einem Absehen von Strafe führen.
- Bei einer Unfallflucht stehen Sie versicherungsrechtlich schlecht da: Die Haftpflicht reguliert zunächst den Schaden am fremden Auto, kann aber bis zu 5.000 € von Ihnen zurückfordern.