Bei einer betriebsbedingten Kündigung müssen Arbeitgeber normalerweise bei der Auswahl der Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte berücksichtigen. Dazu gehört auch, inwieweit die betroffenen Arbeitnehmer Unterhaltspflichten etwa gegenüber ihrem Ehepartner oder Kindern nachkommen müssen. Wann hier Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen dürfen, wird im folgenden Beitrag erläutert.
Betriebsbedingte Kündigung nur bei dringendem betrieblichem Erfordernis
Eine betriebsbedingte Kündigung setzt normalerweise voraus, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmer aufgrund eines dringenden betrieblichen Erfordernisses nicht mehr weiterbeschäftigen kann. Dies kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes vor allem dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Betrieb aufgrund von erheblichen Auftragsrückgängen stilllegen muss oder zumindest ein Überhang an Arbeitskräften besteht. Inwieweit diese Voraussetzungen gegeben sind muss der Arbeitgeber gewöhnlich selbst beurteilen, denn die Gerichte räumen ihm für die Feststellung einen verhältnismäßig weiten Beurteilungsspielraum ein. Der Arbeitgeber darf allerdings keine Entscheidungen treffen, die offensichtlich willkürlich sind.
Arbeitgeber muss Sozialauswahl beachten
Allerdings darf ein Arbeitgeber bei Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses generell nicht nach seinem eigenen Gutdünken darüber entscheiden, gegenüber welchem Arbeitnehmer er die betriebsbedingte Kündigung ausspricht. Er muss vielmehr bei dieser Auswahl normalerweise soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigen. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).
Berücksichtigung von Unterhaltspflichten bei der Sozialauswahl
Inwieweit hierzu auch die Unterhaltspflicht gehört, ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz.
Im aktuellen Fall war ein Arbeitnehmer als Montageschlosser in einem größeren Werk tätig. Er war ledig und hatte zwei minderjährige Kinder, für deren Lebensunterhalt er aufkommen musste. Eines Tages beschloss die Geschäftsleitung, dass sie aufgrund von Auftragsrückgängen die Produktion drosseln und daher die Anzahl der Stellen für Montageschlosser von 237 auf 172 Stellen verringern muss. Hinsichtlich der bei der Sozialauswahl zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ging der Arbeitgeber nach einem Punkteschema vor, dass auch Unterhaltspflichten gegenüber Ehegatten und unterhaltsberechtigten Kinder mit einschloss.
Nachdem der betreffende Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hatte ging er hiergegen im Wege der Kündigungsschutzklage vor. Er berief sich insbesondere darauf, dass der Arbeitgeber nur ein Kind bei der Sozialauswahl berücksichtigt hatte – was in seinen Augen unzutreffend war.
Der Arbeitgeber verwies demgegenüber darauf, dass ihm zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bekannt war, dass er zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet war. Denn dies ergab sich nicht aus seiner Lohnsteuerkarte, in der nur ein Kinderfreibetrag von 0,5 eingetragen worden war. Der Arbeitgeber wusste zwar, dass er zwei Kinder hat. Daraus ergebe sich jedoch nicht zwangsläufig, dass er an beide Kinder wegen Bedürftigkeit Unterhalt zahlen muss. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Kinder finanzielle Zuwendungen von ihren Großeltern etwa in Form von einmaligen Schenkungen oder regelmäßigen Zahlungen erhalten.
Arbeitgeber sollte sich nicht auf Lohnsteuerkarte verlassen
Das Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz stellte gleichwohl mit Urteil vom 29.01.2015 (Az. 5 Sa 390/14) klar, dass die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitnehmers wegen unzutreffender Sozialauswahl rechtswidrig gewesen ist. Der Arbeitgeber hätte sich jedenfalls aufgrund der ihm bekannten Elternzeiten nicht allein auf die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte verlassen dürfen. Aufgrund des Lebensalters der Kinder lag auf der Hand, dass der Vater zum Unterhalt verpflichtet war.
Gewöhnlich keine Berücksichtigung von Zuwendungen durch Großeltern
Vor allem aber lässt sich nach Ansicht des Gerichtes eine Unterhaltspflicht des Vaters nicht mit dem Argument verneinen, dass die Großeltern ihren Kindern womöglich finanzielle Zuwendungen gewähren. Hiergegen spricht bereits, dass grundsätzlich keine Unterhaltspflicht der Großeltern besteht. Von daher ist hier die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers rechtswidrig gewesen.
Diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Rheinland-Pfalz ist mittlerweile rechtskräftig, weil der Arbeitgeber gegen die Nichtzulassung der Revision nicht im Wege der sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde vorgegangen ist. In der Praxis kommt es bei der Begründung von betriebsbedingten Kündigungen schnell zu Fehlern. Zunächst einmal ist zu beachten, dass der Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat anhören muss. Darüber hinaus sollte sorgfältig geprüft werden, ob der jeweilige Kündigungsgrund auch wirklich vorliegt. Arbeitgeber sollten bei der Sozialauswahl keinesfalls stur nach „Aktenlage“ entscheiden, sondern sorgfältig prüfen, ob etwa eine Unterhaltspflicht besteht oder andere soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Das gilt vor allem dann, wenn etwa aufgrund eines Kinderfreibetrages bekannt ist, dass der Arbeitnehmer Kinder hat.
Was nach einer betriebsbedingten Kündigung zu tun ist
Wer als Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hat, sollte sich am besten gleich mit einem Rechtsanwalt für Arbeitsrecht in Verbindung setzen, denn eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen eingelegt werden. Ansonsten wird die Kündigung auch dann wirksam, wenn sie rechtswidrig geworden ist. Arbeitgeber sollten sich übrigens davor hüten, Kündigungsgründe nur vorzugeben. Denn sie können sich dadurch wegen Betrugs strafbar gemacht haben.