Freistellung bei persönlicher Verhinderung
Berufstätige Eltern sind naturgemäß gezwungen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Dies kann auch gut funktionieren, solange alle Familienmitglieder gesund sind. Erkrankt aber ein Kind, stellt sich die Frage, wer beim Kind bleiben kann und was dann mit der Arbeit ist.
Für Eltern, die gesetzlich krankenversichert sind, ist diesbezüglich insbesondere der § 45 SGB V maßgeblich.
Danach besteht bei Kindern von unter zwölf Jahren ein Anspruch auf Freistellung von bis zu 10 Arbeitstagen im Jahr für jedes Kind. Für alleinerziehende Arbeitnehmer besteht ein Anspruch auf Freistellung für bis zu 20 Arbeitstage.
Neben dem Freistellungsanspruch hat der Elternteil für denselben Zeitraum einen Anspruch auf Krankengeld gemäß § 45 Absatz 1 SGB V. Das auch als „Kinderkrankengeld“ bezeichnete Krankengeld beträgt durchschnittlich 75 Prozent des Nettoeinkommens. Wie hoch Ihr Krankengeld liegt, können Sie online selbst ausrechnen, beispielsweise mit dem Krankengeld-Rechner der TK.
Bei Erkrankung eines Kindes:
- für Verheiratete: maximal 10 Tage pro Kalenderjahr
- für Alleinerziehende: max. 20 Tage pro Kalenderjahr für Alleinerziehende.
Bei Erkrankung mehrerer Kinder:
- für Verheiratete: max. 25 Tage pro Kalenderjahr
- für Alleinerziehende: max. 50 Tage pro Kalenderjahr.
Privat versicherte Arbeitnehmer haben zwar auch einen Anspruch auf entsprechende Freistellung, jedoch keinen Anspruch auf Krankengeld. Auch, wenn das Kind nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (mit)versichert ist, besteht kein Anspruch auf Krankengeld.
Zusammengefasst besteht ein Anspruch auf Freistellung und Krankengeld nach bei Vorliegen folgender Voraussetzungen:
- erkranktes Kind im Alter von unter 12 Jahren
- ärztliches Attest ab dem ersten Krankheitstag
- für die Betreuung und Pflege des Kindes steht keine andere im Haushalt lebende Person zur Verfügung
- das Kind ist gesetzlich (mit) krankenversichert
Ist das Kind zwölf Jahre oder älter, so dass kein Anspruch nach § 45 SGB V besteht, muss Urlaub eingereicht oder mit dem Arbeitgeber unbezahlter Urlaub vereinbart werden.
Vorübergehende Verhinderung nach § 616 BGB
Für privat versicherte Arbeitnehmer kommt ein Vergütungsanspruch nur gemäß § 616 BGB in Betracht. Die Vorschrift gilt gleichermaßen für privat versicherte als auch für gesetzlich Versicherte.
Hiernach muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für kurze Zeit von der Arbeitsleistung freistellen.
Ob der Arbeitnehmer trotz Freistellung aber tatsächlich weiterhin seinen Lohn erhält, hängt von den vertraglichen Vereinbarungen im Einzelfall ab. Grundsätzlich bestimmt § 616 BGB, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Vergütung nicht verliert, wenn er nur vorübergehend verhindert ist, seiner Arbeit nachzukommen. Dabei darf er die Verhinderung nicht verschuldet haben. Das ist der Fall bei einer Erkrankung des Kindes. Bei einem kurzzeitigen Ausfall erhält der Arbeitnehmer also gemäß § 616 BGB seinen Arbeitslohn weiter.
Wie viele Tage die in der Vorschrift genannte „vorübergehende Verhinderung“ meint, wurde vom Bundesarbeitsgericht entschieden. Vorübergehend meint demnach eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit von fünf Arbeitstagen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.04.1978, 5 AZR 834/76).
Der Arbeitnehmer muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt. Ist der Arbeitnehmer also Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, gehen die Zahlungen nach § 45 SGB V vor.
Des Weiteren ist es möglich, dass die Lohnfortzahlung gemäß § 616 BGB ausgeschlossen wird. Denn die Vorschrift ist nicht zwingend; sie kann durch den Arbeits- oder Tarifvertrag eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen werden.
Daher sollten Sie vor allem als privat Versicherter darauf achten, ob § 616 BGB in Ihrem Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen wird.
Ansprüche auf Freistellung und Krankengeld richtig geltend machen
Damit Sie auch dann, wenn Sie bei Ihrem kranken Kind zuhause bleiben, keine Probleme mit Ihrem Arbeitgeber bekommen und Ihre jeweiligen Entgeltansprüche ohne Ausfall erhalten, kümmern Sie sich um folgende Punkte:
- Melden Sie dem Arbeitgeber unverzüglich, dass und voraussichtlich wie lange Sie wegen Ihres erkrankten Kindes zuhause bleiben müssen, damit der Arbeitgeber wegen Ihres Ausfalls entsprechend umplanen kann.
- Lassen Sie sich vom Arzt ein Attest ausstellen, das neben der Erkrankung des Kindes auch bescheinigt, dass das Kind der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege bedarf, so dass ein Elternteil der Arbeit fernbleiben muss.
- Der Arbeitgeber kann die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung verlangen; insofern ist es ratsam, ihm das Attest umgehend mit der Beantragung der Freistellung zukommen zu lassen.
- Zugleich stellen Sie einen Antrag auf Krankengeld bei Ihrer Krankenkasse; auch hier müssen Sie das ärztliche Attest vorlegen. Für den Anspruch muss ein Antragsformular ausgefüllt werden, welches Sie von Ihrer Krankenkasse erhalten.
Sich selbst krankschreiben lassen?
Sollten alle Krankheitstage bzw. Freistellungstage aufgebraucht sein, kann man als Elternteil auf den Gedanken kommen, sich selbst krankschreiben zu lassen. Dies ist rechtlich aber unzulässig und kann im Zweifel zu einer fristlosen Kündigung führen. Sollten also alle Tage aufgebraucht sein, kann Urlaub beantragt werden. Gegebenenfalls können auch Überstunden abgebaut oder Minusstunden gesammelt und später nachgearbeitet werden. Vielleicht kann mit dem Arbeitgeber auch eine Lösung dahingehend gefunden werden, dass im Home-Office gearbeitet wird.
Anspruch bei einem Unfall des Kindes
Ist das Kind aufgrund eines Unfalles verletzt und daher pflegebedürftig, kann ein Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Unfallversicherung bestehen. Dies ist der Fall, wenn der Unfall im Kindergarten, im Kinderhort oder in der Schule oder auf dem Weg von oder zu der jeweiligen Stätte geschehen ist.
Ansprüche in schweren Krankheitsfällen
Bei langwierigeren Erkrankungen des Kindes bestehen Ansprüche nach dem Pflegezeitgesetz, wie dort insbesondere in den §§ 2-4 PflegeZG geregelt. Diese Ansprüche gelten nicht nur für die Pflege der Kinder, sondern auch anderer naher Angehöriger. Beansprucht werden kann hieraus lediglich eine unentgeltliche Freistellung. Ein Entgeltanspruch kann sich nur aus § 616 BGB ergeben.
Man unterscheidet zwischen dem Anspruch auf kurzfristige Freistellung (bis zu 10 Tage für eine kurzfristige Pflege oder Organisation einer längerfristigen Pflege) und dem Anspruch auf eine längerfristige Pflegezeit für eine häusliche Pflege.
Ist ein gesetzlich versichertes Kind unheilbar krank, gilt § 45 Abs. 4 SGB V. Die Eltern können in den dort genannten Fällen eine zeitlich unbegrenzte Freistellung und Zahlung des Kinderkrankengeldes beanspruchen.