1. Die Situation: Im Ausland geblitzt
Wer mit dem Auto im Ausland unterwegs ist, dem kann dasselbe wie in Deutschland passieren: Man wird mit erhöhter Geschwindigkeit geblitzt. Oft passiert dies im Sommerurlaub. Viele Autofahrer nehmen es mit Geschwindigkeitsbegrenzungen im Auslandsurlaub – vielleicht auch wegen der Urlaubsituation – „nicht so genau“ und vertrauen darauf, dass ihnen nicht viel passieren kann wenn sie das Land verlassen haben und wieder in Deutschland sind. Ähnliches gilt bei anderen Bußgeldvergehen, etwa wegen Handynutzung am Steuer. Doch in Zeiten der EU gilt dies immer weniger, oft muss man eine Vollstreckung aus dem Ausland befürchten, wenn man die Geldbuße nicht vor Ort zahlt.
2. Sonstige Bußgeldtatbestände
Die Frage, wie man sich bei Erhalt eines Bußgeldbescheides im Ausland verhalten sollte und was passiert, wenn man vor Ort nicht zahlt, gelten prinzipiell auch für andere Bußgeldvergehen, etwa für einen Strafzettel wegen Falschparkens, einem Bußgeld wegen Alkohol am Steuer usw. Allerdings unterscheiden sich die Voraussetzungen eines Bußgeldes, die Sanktionierung (Bußgeldhöhe) oder der weitere Umgang mit einem Verkehrsvergehen zum Teil erheblich von der in Deutschland bekannten Praxis. Vor einer Einreise in ein Land sollte man sich daher über die wichtigsten Verkehrs- und Bußgeldbestimmungen informieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn erhebliche Unterschiede zu Deutschland bestehen oder Regeln gelten, die es so in Deutschland gar nicht gibt (z.B. ganztägiges Fahren mit Abblendlicht).
3. Rechtsordnung des jeweiligen Landes maßgeblich
Regelmäßig ist sowohl hinsichtlich des Grundes des Bußgeldes (Bußgeldtatbestand) als auch für die konkrete Sanktionsregelung (Bußgeldhöhe) die Rechtsordnung des jeweiligen Landes maßgeblich. Denn entscheidend für das Bußgeldvergehen ist der Ort, an dem das (angebliche) Vergehen erfolgte. Eine Anwendung deutschen Rechts oder eine Rechtswahlmöglichkeit zwischen deutschem und ausländischem Recht wird bei Bußgeldvergehen daher ausscheiden. Anders kann dies bei Ansprüchen im weiteren Zusammenhang mit einem Bußgeldvergehen aussehen- bei einem Verkehrsunfall im Ausland können etwa entstehende Behandlungskosten in Deutschland (z.B. Krankenhausaufenthalt) nach deutschem Recht anfallen.
In manchen Ländern (z.B. Italien oder Österreich) wird bei Vergehen im Straßenverkehr stets der Fahrzeughalter (und nicht der Fahrer) mit einem Bußgeld belegt. Wenn man nicht selbst am Steuer saß, nützt einem dieses Argument daher in diesen Ländern nichts.
4. Unterschiedliche Bußgeldhöhen
Die Bußgeldhöhen für Geschwindigkeitsübertretungen unterscheiden sich z.T. erheblich von denen, die für ein vergleichbares Vergehen in Deutschland anfallen. Auch wenn die Bußgelder in Deutschland durch die deutschen Autofahrer gemeinhin nicht gerade als „günstig“ empfunden werden, werden hier wesentlich höhere Bußgelder im Ausland erhoben.
Zunächst kann dies an den im jeweiligen Land geltenden Geschwindigkeitsgrenzen liegen. Außerhalb geschlossener Ortschaften und insbesondere auf der Autobahn ist die zulässige Maximalgeschwindigkeit oft viel niedriger (100-120 km/h) als in Deutschland, eine Richtgeschwindigkeit (130 km/h) wie auf deutschen Autobahnen bei ansonsten „freier Fahrt“ gibt es in keinem anderen Land.
Die Strafen für Geschwindigkeitsübertretungen schon von wenigen Stundenkilometern sind oft sehr hoch, auch mit dem in Deutschland üblichen „Toleranzabschlag“ (z.B. von bis zu drei Prozent der Geschwindigkeit bei standardisierten Messungen wie in unserem Beitrag zu Abstandsverstößen beschrieben) darf nicht gerechnet werden. Hierzu folgende Beispiele aus einigen beliebten Urlaubsländern:
- In der Schweiz werden bei Geschwindigkeitsübertretungen von 1-5 km/h bereits Bußgelder von über 30 Euro fällig. Bei Übertretungen von 25 km/h können über 600 Euro fällig werden. Übertretungen von 50 km/h werden mit einer Geldbuße in Höhe von zwei Monatsgehältern (!) geahndet, zudem droht ein Führerscheinentzug
- In Österreich herrschen flexible Bußgeldhöhen, die vom konkreten Einzelfall abhängig gemacht werden. So ist eine Geschwindigkeitsübertretung von 20 km/h noch recht „günstig“ (20 Euro). Bei einer Geschwindigkeitsübertretung von 50 km/h fallen mindestens 150 Euro an, möglich ist aber auch eine Geldbuße von über 2.000 Euro
- In Großbritannien kostet ein Geschwindigkeitsverstoß von 50 km/h ca. 3.000 Euro, in Frankreich 1.500 Euro. In Italien fallen dafür mindestens 530 Euro an.
5. Vollstreckung aus bzw. im Ausland
Insbesondere in der Europäischen Union muss man damit rechnen, dass Bußgelder auch in Deutschland vollstreckt werden. Hier ist ab einer Bußgeldhöhe von 70 Euro bereits eine Vollstreckung in Deutschland über die deutschen Justizbehörden möglich, wobei etwaige Verfahrenskosten (Bearbeitungsgebühren, Säumniszuschläge) mitgerechnet werden, sodass die Bußgeldhöhe von 70 Euro recht schnell erreicht wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man bei geringeren Bußgeldhöhen in jedem Fall „aus dem Schneider“ ist. Mit Österreich besteht etwa ein bilaterales Vollstreckungsabkommen, nach dem schon Bußgelder ab 25 Euro vollstreckt werden können.
Davon zu unterscheiden ist eine drohende Vollstreckung in dem Land, in dem das Bußgeld verhängt wurde. Wer dieses Land erneut bereist (z.B. beim nächsten Urlaub), muss damit rechnen (etwa in Holland), dass der Bußgeldbescheid beim ersten Kontakt mit ausländischen Behörden (Zoll, Flughafen) vollstreckt und zur Bedingung der Einreise gemacht wird – natürlich mit einem saftigen Verspätungszuschlag.
6. Führerscheinfolgen
Ein Entzug der deutschen Fahrerlaubnis durch eine ausländische Behörde ist nicht möglich. Dies liegt daran, dass ein deutscher Hoheitsakt (Verwaltungsakt) nicht durch einen anderen Staat aufgehoben bzw. zurückgenommen werden kann.
Von der Fahrerlaubnis, d.h. von der Erlaubnis des Fahren-Dürfens, ist jedoch der ausgestellte Führerschein zu unterscheiden. Dieser kann und wird auch im Ausland ab einer gewissen Bußgeldhöhe bzw. Schwere des Vergehens eingezogen. Teilweise geschieht dies nur vorübergehend, oft wird dabei noch ein zeitlich befristetes Fahrverbot verhängt. Dieses gilt ebenfalls nur für das Land, in dem es verhängt wurde.
Allerdings ist hierzu zu beachten: Teilweise wird der Führerschein auch einbehalten und an die deutschen Behörden versandt. Dadurch erlangt die deutsche Führerscheinbehörde Kenntnis von dem Verstoß. Hegt diese Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Fahrers zur Teilnahme am Straßenverkehr, kann sie entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten, z.B. ein Fahrverbot verhängen oder ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU – der „Idiotentest“) anordnen. Die Fahrerlaubnisbehörde kann ihre Eignungszweifel dabei auf Maßstäbe nach deutschem Recht stützen und ist nicht an die Einschätzung der ausländischen Kollegen gebunden (vgl. OVG Münster v. 03.11.2014 – Az.16 B 694/14). Die „Unschuldsvermutung“ bis zum Ende des Verfahrens gilt in einem solchen Fall nicht, da die Fahrerlaubnisbehörde im Zuge der Gefahrenabwehr zur Sicherung des Straßenverkehrs tätig wird.
7. Fazit und Praxistipp
Vor einem Auslandsaufenthalt sollte man sich am besten vorher über die gültigen Bestimmungen informieren. Das klingt trivial, dennoch werden die herrschenden Unterschiede oft unterschätzt – genauso wie die (möglichen) Folgen eines Bußgeldes. Am besten „fährt“ (im wahrsten Sinne des Wortes) natürlich derjenige, der sich gerade im Ausland an die geltenden Vorschriften hält, was aber deren Kenntnis voraussetzt.
Wer ein Bußgeld erhalten hat, sollte je nach Höhe des Vergehens entweder im Ausland zahlen oder umgehend einen Anwalt für internationales Verkehrsrecht konsultieren. Denn auch im ausländischen Recht oder auch bei einer Vollstreckung in Deutschland bieten sich mit anwaltlichem Beistand Verteidigungsmöglichkeiten.