1. Allgemeine Verhaltensregeln bei Autounfällen
Ist es nun einmal passiert und es hat im Ausland gekracht, müssen Autofahrer zunächst dieselben Verhaltensregeln beachten, die auch bei Unfällen im Inland gelten.
Das bedeutet:
- Unfallstelle absichern.
- Verletzte versorgen.
- Kennzeichen und Personalien des anderen Unfallbeteiligten festhalten.
- Falls der Unfallgegner nicht der Halter des Fahrzeugs ist: Identität und Versicherungsnummer des Halters erfragen.
- An der Unfallstelle Beweise sichern, zum Beispiel Fotos machen, Zeugen ermitteln.
- Ort, Zeit und Schäden genau dokumentieren.
- Gegebenenfalls eine Unfallskizze anfertigen.
Egal wie lautstark der Unfallgegner mit Ihnen auch diskutiert: Geben Sie vor Ort unter keinen Umständen ein Schuldanerkenntnis ab, sondern äußern Sie sich zunächst nicht zur Sache. Wurden Sie bei dem Vorfall selbst verletzt, so lassen Sie sich zeitnah ärztlich untersuchen, auch wenn Sie nur geringe Beschwerden haben. Unfall-Spätfolgen zeigen sich oft erst nach mehreren Tagen und Sie müssen später nachweisen können, dass Ihre Verletzungen tatsächlich auf den Verkehrsunfall zurückzuführen sind.
2. Besonderheiten bei Unfällen im Ausland
a) Was ist am Unfallort zu tun?
In den meisten europäischen Staaten muss nur bei Unfällen mit Verletzten oder hohen Sachschäden die Polizei gerufen werden. In manchen Ländern – vor allem in Osteuropa – wird dies aber auch bei weniger schwerwiegenden Verkehrsunfällen gefordert. In Tschechien müssen die Ordnungshüter zum Beispiel bereits bei geschätzten Sachschäden ab 20.000 Kronen (derzeit ca. 740 Euro) verständigt werden.
Kommt es bei einem Crash im Ausland zu Problemen, etwa durch heftige Auseinandersetzungen mit dem Unfallgegner, einen unklaren Unfallhergang oder fehlende Versicherungsdaten, so ist allerdings auch bei geringeren Sachschäden die Unfallaufnahme durch die Polizei zu empfehlen. Dasselbe gilt, wenn kein Unfallgegner vor Ort ist, weil Sie zum Beispiel einen geparkten Wagen angefahren haben. Auch dann müssen Sie die Ordnungshüter einschalten.
In vielen Ländern wird der so genannte „Europäische Unfallbericht“ zur Unfallaufnahme verwendet. Einen Vordruck hierfür sollten Sie auf jeder Auslandsreise griffbereit mitführen. Das Formular gibt es in verschiedenen Sprachen, es ist aber inhaltlich und gestalterisch überall gleich aufgebaut und durchnummeriert. Deshalb können Unfallbeteiligte aus unterschiedlichen Staaten es problemlos gemeinsam ausfüllen, jeder in seiner Landessprache. Der Bericht gilt nicht als Schuldanerkenntnis.
Hilfreich ist auch die so genannte „Grüne Versicherungskarte“ (Internationale Versicherungskarte für den Kraftverkehr, IVK). Im „Grüne-Karte-Abkommen“ haben zahlreiche Staaten vereinbart, Bescheinigungen über den Kfz-Versicherungsschutz wechselseitig anzuerkennen. Unterzeichner sind die Länder der EU, mehrere andere europäische Staaten aber zum Beispiel auch die Türkei. Alle teilnehmenden Staaten sind auf der Grünen Karte verzeichnet; Schutz besteht in den Ländern, die hier aufgeführt und nicht gestrichen sind.
Die Grüne Karte muss in vielen Staaten allerdings nicht mehr zwingend mitgeführt werden. Stattdessen gelten vielfach so genannte Kennzeichenabkommen, durch die wechselseitig schon die amtlichen Autokennzeichen als Nachweis der Pflichtversicherung anerkannt werden. Vorgelegt werden muss die IVK dagegen in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Moldawien, Serbien, Montenegro, der Türkei, Russland, der Ukraine und Weißrussland (Grün markiert in der Karte).
Selbst in Ländern, mit denen Kennzeichenabkommen bestehen, wird mitunter trotzdem noch nach der Grünen Karte gefragt, so zum Beispiel in Italien. Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Karte bei jeder Auslandsfahrt mitzuführen, da sie vieles erleichtert. Sinnvoll ist es, dass die Unfallgegner gegenseitig Handyfotos ihrer Grünen Karten anfertigen oder Kopien austauschen, damit jeder die Versicherungsdaten des anderen Beteiligten und weitere wichtige Daten zur Hand hat. Die Karte erhalten Sie von Ihrer Versicherung, in der Regel zusammen mit der Police. Sie ist drei Jahre gültig und muss danach neu angefordert werden.
b) Was müssen Sie später noch veranlassen?
Ist an der Unfallstelle alles erledigt, so müssen Sie den Schaden noch Ihrer Versicherung melden. Haben Sie einen Auslandschutzbrief eines Automobil-Clubs, so sollte auch dieser verständigt werden. In komplizierten Fällen oder bei Verletzten bzw. sehr hohen Sachschäden kann außerdem die Einschaltung eines Verkehrsanwalts anzuraten sein.
Haben Sie bei dem Unfall einen Mietwagen gefahren, so müssen Sie auch den Autovermieter umgehend informieren. Wichtig zu wissen: Für die Kfz Haftpflicht gelten in vielen Ländern recht niedrige Deckungssummen, die bei einem schweren Unfall mit einem Mietwagen oft nicht ausreichen. Wenn Sie zu Hause ein Fahrzeug zugelassen haben, so ist in Ihrer Haftpflichtversicherung aber meist auch eine „Versicherung für den Gebrauch fremder, versicherungspflichtiger Fahrzeuge“ enthalten, umgangssprachlich auch als „Mallorca-Police“ bekannt. Über diese Zusatzversicherung ist der Mietwagen in vielen Ländern mit derselben Versicherungssumme wie Ihr eigenes Auto versichert, zumindest aber in der in Deutschland gesetzlich vorgeschriebenen Höhe.
Waren Sie selbst an dem Unfall schuld, so müssen Sie über das o.g. hinaus nicht viel veranlassen. Dies wird der Unfallgegner tun, der seinen Schaden von Ihnen bzw. Ihrer Versicherung ersetzt bekommen möchte. Schwieriger ist es, wenn Sie selbst Ansprüche gegen den anderen Unfallbeteiligten geltend machen möchten.
c) Welches Landesrecht gilt?
Unfälle im Ausland werden in der Regel nach dem Recht des Landes beurteilt, in dem sie sich ereignet haben. Das gilt sowohl für das Straßenverkehrsrecht, also die Beurteilung von Verstößen gegen die in dem jeweiligen Land einzuhaltenden Verkehrsregeln, als auch für Fragen der Haftung und der Schadensregulierung.
Es gibt aber Ausnahmen: Wenn Sie im Ausland zum Beispiel in einen Crash verwickelt werden, bei dem der Unfallgegner ebenfalls Deutscher ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hat und sein Fahrzeug hier zugelassen und versichert ist, gilt deutsches Schadensersatzrecht. Die Auseinandersetzung erfolgt dabei mit der deutschen Kfz-Versicherung.
Wichtig zu wissen: Für Schuldfragen und Verstöße gegen Verkehrsregeln im Zusammenhang mit dem Unfall gilt aber selbst in diesem Fall das Recht des Landes, in dem sich der Unfall ereignet hat! Dieses kann von den in Deutschland geltenden Vorschriften mitunter deutlich abweichen. Kritisch kann es insbesondere werden, wenn Sie im Zusammenhang mit dem Unfall einen Verkehrsverstoß begangen haben, der in dem betreffenden Land wesentlich härter sanktioniert wird als in Deutschland. Insbesondere für Tempoverstöße oder bei Alkohol am Steuer drohen in manchen Ländern geradezu drakonische Strafen oder Geldbußen. In solchen Fällen sollten Sie sich auf jeden Fall anwaltlich beraten lassen.
Ausnahmen von der Anwendung des Rechts des Landes, in dem sich der Unfall zugetragen hat, gibt es seit 2007 auch in Fällen, in denen beide Unfallbeteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat haben. Das wurde durch die so genannte Rom II Verordnung festgelegt. Diese sieht für bestimmte Fälle auch die Möglichkeit einer Rechtswahl vor.
d) Wie können Sie Ihre Ansprüche durchsetzen?
Möchten Sie von einem ausländischen Unfallgegner Ihren Schaden ersetzt haben, so können Sie diesen bei ihm bzw. seiner Haftpflichtversicherer im Ausland geltend machen. Seit 2003 gibt es aber auch noch einen einfacheren Weg, um zu Ihrem Recht zu kommen: Durch eine EU-Richtlinie (4. KH-Richtlinie der EU) wurden alle Kfz-Versicherungen in den Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, in jedem anderen EU-Land einen Schadenregulierungsbeauftragten einzusetzen. An diesen können sich deutsche Autofahrer, die im Ausland in einen Verkehrsunfall verwickelt wurden, zur Durchsetzung ihrer Ansprüche wenden.
Die Richtlinie gilt für die Staaten der Europäischen Union, die Schweiz sowie für die Länder des so genannten Europäischen Wirtschaftsraums (d.h. Island, Norwegen und Liechtenstein). Anwendbar ist sie für Deutsche immer dann, wenn es in einem der genannten Länder zu einem Unfall gekommen ist.
Hat sich der Crash dagegen in einem ganz anderen Land ereignet, so greift die Richtlinie nur ausnahmsweise und zwar dann, wenn erstens das Fahrzeug des Unfallgegners gewöhnlich in einem der genannten Staaten seinen Standort hat und dort versichert ist und zweitens das Land, in dem der Unfall passiert ist, dem System der Grünen Karte angehört.
Den jeweils zuständigen Schadensregulierungsbeauftragten können Sie beim Zentralruf der Autoversicherer erfragen. Kommen Sie hier nicht weiter, etwa weil die Versicherung des Unfallgegners keinen Beauftragten bestellt hat, Fahrzeug bzw. Versicherung des Unfallgegners nicht innerhalb von zwei Monaten ermittelt werden können (z.B. bei Fahrerflucht) oder der Schadensregulierungsbeauftragte den Schaden nicht innerhalb von drei Monaten reguliert, so bleibt Ihnen noch die Möglichkeit, sich an die so genannte „Entschädigungsstelle“ im eigenen Land zu wenden. In Deutschland ist hierfür die „Verkehrsopferhilfe e.V.“ zuständig. Wichtig zu wissen: Diesen Weg können Sie nur dann gehen, wenn Sie sich zuvor auch wirklich an den Schadensregulierungsbeauftragten gewendet hatten, nicht dagegen, wenn Sie direkt gerichtlich gegen die ausländische Versicherung vorgegangen waren.
Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, so können Sie die ausländische Versicherung seit Inkrafttreten der 5. KH-Richtlinie von 2005 auch direkt bei dem deutschen Gericht verklagen, das für Ihren Wohnsitz zuständig ist. Dieses wendet dann das Recht des Landes an, in dem der Unfall geschehen ist.
Bei Unfällen, die sich in Ländern ereignet haben, mit denen die o.g. Abkommen nicht gelten, ist es natürlich wesentlich schwieriger, Ihre Ansprüche durchzusetzen. Hier kann Ihnen ein Rechtsanwalt für Verkehrsrecht weiterhelfen.
e) Besonderheiten bei der Schadensregulierung
Wie bereits gezeigt, gilt bei einem Unfall im Ausland grundsätzlich das Recht des Landes, in dem sich dieser ereignet hat. Dies hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf eine möglicherweise stark vom deutschen Recht abweichende Bewertung von Verkehrsverstößen und Verschuldensfragen. Auch die Ansprüche, die Sie gegen den Unfallgegner stellen können, also insbesondere der Schadensersatz, der Ihnen zuerkannt werden kann, fällt von Land zu Land höchst unterschiedlich aus. Meist erhalten Sie bei einem Unfall im Ausland nicht nur niedrigere Schadensersatzleistungen als sie bei Unfällen in Deutschland üblich sind. Für bestimmte Arten von Schäden, die hierzulande anerkannt werden, gibt es in anderen Ländern sogar überhaupt keinen Ersatz.
So werden die Folgekosten für unfallbedingte Verletzungen (Heilbehandlungen, Schmerzensgeld oder Verdienstausfall) sowie Kosten der Fahrzeugreparatur zwar in der Regel auch in anderen EU-Staaten erstattet, allerdings oft in wesentlich geringerer Höhe als in Deutschland. In manchen Ländern ist die Versicherungssumme, die für die Kfz-Haftpflicht gesetzlich vorgeschrieben ist, auch wesentlich niedriger als bei uns. Hohe Schadenssummen sind dort deshalb oft nicht abgedeckt.
Wer Mietwagen- oder Überführungskosten, Nutzungsausfall, eine Wertminderung seines Pkws oder Gutachter- und Rechtsanwaltskosten ersetzt haben möchte, der geht in manchen Ländern gänzlich leer aus oder muss erhebliche Abstriche in Kauf nehmen. Für Mietwagenkosten gibt es in vielen Ländern entweder überhaupt keinen Ersatz, nur bei beruflicher bzw. gewerblicher Fahrzeugnutzung oder in wesentlich geringerer Höhe. Auch Sachverständigenkosten werden in vielen Ländern entweder gar nicht oder nur eingeschränkt ersetzt. Ebenso außergerichtliche Anwaltskosten.
Wer also viel im Ausland unterwegs ist, sollte sich ggf. zusätzlich absichern. Zum Beispiel durch einen Kfz-Schutzbrief mit Auslandschutz und eine private Unfallversicherung. Eine Verkehrsrechtsschutzversicherung kann ebenfalls helfen. Sie gilt meist zumindest auch für das europäische Ausland und kommt u.a. für Ihre Anwalts- und Gerichtskosten, oft auch für Gutachterkosten auf.
3. Fazit
- In manchen Ländern müssen auch Unfälle mit eher geringen Sachschäden von der Polizei aufgenommen werden.
- Der so genannte „Europäische Unfallbericht“ erleichtert die Unfallaufnahme.
- Die „Grüne Versicherungskarte“ ist hilfreich, aber nicht überall vorgeschrieben; stattdessen gelten vielfach Kennzeichenabkommen.
- Nach dem Unfall müssen Sie den Schaden Ihrer Versicherung melden. Haben Sie einen Mietwagen gefahren, so ist auch der Autovermieter zu informieren.
- Für einen Unfall im Ausland gilt meist das Recht des Landes, in dem sich dieser ereignet hat.
- EU-Richtlinien erleichtern die grenzüberschreitende Geltendmachung von Ansprüchen.
- Meist erhalten Sie bei einem Unfall im Ausland niedrigere Schadensersatzleistungen als bei Unfällen in Deutschland.
Praxistipp
Informieren Sie sich vor jeder Auslandsfahrt detailliert darüber, welche besonderen Verkehrsvorschriften in Ihrem Reiseland gelten.
Wird Ihnen im Zusammenhang mit einem Unfall im Ausland zum Beispiel ein Tempoverstoß oder Alkohol am Steuer zur Last gelegt, so kann das für Sie in manchen Ländern weit schwerwiegendere Folgen haben als in Deutschland. In solchen Fällen sollten Sie auf jeden Fall einen Anwalt einschalten. Ebenso bei Unfällen mit Personen- oder hohen Sachschäden.
Auch bei Unfällen in Ländern, für welche die oben genannten internationalen Abkommen und EU-Richtlinien nicht gelten, sollten Sie einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht konsultieren.