1. Wie gerät man in Verzug?
Doch nicht jedes Ausbleiben einer Leistung führt automatisch zum Verzug. Hierfür sind besondere Voraussetzungen notwendig:
- Der Gläubiger muss einen fälligen Anspruch gegen den Schuldner haben, der ihn dazu berechtigt, überhaupt eine Leistung verlangen zu können.
Beispiele:
- Anspruch aus einem Kaufvertrag, eine Sache übereignet zu bekommen
- Anspruch auf die Herstellung eines Gegenstands aufgrund eines Werkvertrages
- Anspruch auf die Erbringung einer Tätigkeit aufgrund eines Dienstvertrages
Wann eine Leistung fällig ist, bestimmt sich nach der vertraglichen Vereinbarung (z. B. an einem bestimmten Tag). Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, kann die Leistung grundsätzlich sofort verlangt werden (§ 271 BGB).
- Der Schuldner leistet schuldhaft nicht oder zu spät. Kann er also nichts dafür, dass die Leistung ausbleibt, tritt auch kein Verzug ein.
- Zudem muss gegenüber dem Schuldner grundsätzlich eine Mahnung ausgesprochen worden sein. Der Gläubiger muss ihn also ausdrücklich zur Erbringung seiner Leistung auffordern. Erst wenn die Leistung danach immer noch ausbleibt, tritt Verzug ein. In einigen Ausnahmesituationen kann eine Mahnung allerdings entbehrlich sein (siehe unten).
Je nach Vertragstyp können sich zudem Unterschiede und Besonderheiten ergeben:
Verzug bei Reparaturen und anderen Werkleistungen
Bei einem Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) verpflichtet sich der Auftragnehmer gegen Entgelt, dem Besteller ein Werk herzustellen.
Verzug bei Bauleistungen
Der Bauvertrag fällt in die Kategorie des Werkvertrages. Zusätzlich gelten jedoch speziellere Regelungen im BGB (§§ 650a, 650u, 650i BGB) sowie die VOB (§§ 5 ff. VOB). Verpflichtet sich ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher zum Bau eines Hauses (sog. Verbraucherbauvertrag), muss der Bauvertrag verbindliche Angaben über den Zeitpunkt der Fertigstellung bzw. zur Dauer der Bauausführung enthalten. Diese Termine sind maßgeblich dafür, wann von einem Verzug gesprochen werden kann.
Verzug bei Geldzahlungen
Bei Entgeltforderungen gibt das Gesetz eine weitere Vorgabe hinsichtlich des Verzugs, ohne dass eine Mahnung notwendig ist: Der Verzug tritt spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung oder Zahlungsaufforderung beim Schuldner ein. Entsteht Streit über den Zugang der Rechnung, kommt es auf den (meist früheren!) Empfang der Gegenleistung an. Ist der Schuldner ein Verbraucher, muss in der Rechnung zusätzlich auf diese Rechtsfolgen hingewiesen worden sein, damit die Frist beginnt.
Ob die Geldzahlung noch pünktlich war oder erst mit Verzug eingegangen ist, hängt grundsätzlich vom Datum der Gutschrift auf dem Gläubigerkonto ab. Dies ist eine Besonderheit, da es sonst auf den Zeitpunkt der Leistungshandlung ankommt.
Verzug bei Lieferung
Bei einer Lieferung hängt der Verzugseintritt wieder davon ab, welches Lieferdatum vereinbart wurde (z. B. 1-3 Werktage oder geknüpft an den Eingang der Zahlung des Gläubigers). Gibt es keine Vereinbarung und ist der Gläubiger ein Verbraucher, muss die Lieferung jedenfalls binnen 30 Tagen erfolgen, damit kein Verzug eintritt.
Verzug bei Dienstleistungen
Im Gegensatz zum Werkvertrag zeichnet den Dienstleistungsvertrag aus, dass eine Leistung und kein Erfolg (Werk) geschuldet ist.
2. Wie mahne ich richtig?
Damit der Verzug eintreten kann, ist grundsätzlich eine Mahnung notwendig. Diese muss folgende Anforderungen erfüllen:
- Der Schuldner muss ausdrücklich aufgefordert werden, die Leistung zu erbringen.
- Die Mahnung muss nach Eintritt der Fälligkeit (oder zumindest gleichzeitig mit dieser) erfolgen, d. h. eine vorherige Mahnung hat keine Folgen.
- Die Mahnung ist eindeutig zu formulieren, d. h. es muss sich zweifelsfrei ergeben, welche Leistung gefordert wird. Nicht ausreichend ist z. B. eine Formulierung wie „die Forderung ist fällig“.
Eine Fristsetzung ist nicht erforderlich, damit die Mahnung wirksam ist. Allerdings ist ein Rücktritt vom Vertrag später nur möglich, wenn der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt hat.
3. Muster-Mahnung zum Download
Muster für eine Mahnung:
Sehr geehrter Herr X,
trotz unserer schriftlichen Erinnerungen vom XX.XX.XXXX haben wir bis heute keine Zahlung feststellen können. Zur Zahlung offen sind folgende Beträge:
Rechnungsbetrag: Euro
Verzugszinsen (… %) Euro
Mahnkosten: Euro
Summe: Euro
Wir bitten Sie daher letztmalig, den fälligen Betrag bis zum XX.XX.XXXX auf folgendes Konto einzuzahlen:
Andernfalls sehen wir uns gezwungen, ohne weitere Aufforderung gerichtliche Schritte einzuleiten. Betrachten Sie dieses Schreiben als gegenstandslos, wenn es sich mit Ihrer Zahlung überschnitten haben sollte.
Mit freundlichen Grüßen
XX
4. Wann ist keine Mahnung notwendig?
In bestimmten Situationen tritt der Verzug auch ohne eine Mahnung ein. Dies ist der Fall, wenn
- es um eine Zahlung geht: Mit Ablauf von 30 Tagen nach Rechnungsstellung (gegenüber Verbrauchern nur nach entsprechendem Hinweis, s. o.).
- eine unmittelbare Zeitbestimmung nach dem Kalender vorliegt (z. B. Bezahlung bis zum Tag X).
- sich eine Berechnungsmöglichkeit nach dem Kalender ergibt (z. B. Bezahlung zwei Wochen nach Lieferung). Hier muss der Zeitraum zur Leistungserbringung jedoch angemessen sein. Ist die Frist unangemessen kurz, verlängert sie sich andernfalls automatisch zu einem längeren Zeitraum. Deren Dauer ist dann (notfalls vom Gericht) im Einzelfall zu bestimmen.
- der Schuldner die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert, d. h. es muss sich um das letzte Wort des Schuldners handeln, dass er die Leistung nicht erbringen wird.
- besondere Gründe unter Abwägung der beidseitigen Interessen vorliegen, z. B.
- ein Verhalten des Schuldners, welches die Mahnung verhindert (Untertauchen).
- wenn der Schuldner nach Eintritt des Verzugs die Leistung zu Termin X selbst angekündigt hat, sie aber trotzdem nicht erbringt (Selbstmahnung).
- wenn der Schuldner weiß, dass er eine falsche/fehlerhafte Leistung erbracht hat und die geschuldete Leistung trotzdem nicht bewirkt.
- bei Pflichten, deren Erfüllung besonders eilig sind (z. B. dringende Reparatur eines Wasserrohrbruchs).
5. Welche Rechtsfolgen hat der Verzug?
Ist der Schuldner in Verzug, ergeben sich hieraus verschiedene Rechte des Gläubigers:
Schadensersatz
Dem Gläubiger kann ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen, wenn er aufgrund des Verzugs Schäden erlitten hat (sog. Verzugsschaden). Er ist dann so zu stellen, als wäre der Verzug nie eingetreten.
Verzugszinsen
Dem Gläubiger kann ab Verzugseintritt zudem ein Anspruch auf Verzugszinsen zustehen. Der Zinssatz liegt hierbei grundsätzlich fünf Prozent über dem üblichen Basiszinssatz. Zwischen Unternehmern werden gar neun Prozent über dem Basiszinssatz fällig.
Pauschal 40 €
Ist der Schuldner kein Verbraucher, so kann der Gläubiger zudem eine Verzugspauschale von 40 € verlangen.
Haftungsverschärfung des § 287 BGB
Nach § 287 BGB gilt während des Verzugs ein anderer Haftungsmaßstab für den Schuldner. Er haftet ab Verzugseintritt für jede Fahrlässigkeit und für Zufall. Zufall liegt nicht nur bei höherer Gewalt vor, sondern immer dann, wenn der Schaden weder vom Schuldner noch vom Gläubiger zu vertreten ist. Damit trifft ihn im Ergebnis eine höhere Verantwortung.
Rücktritt vom Vertrag
Ist der Schuldner in Verzug, kommt früher oder später auch ein Rücktritt in Betracht. Damit wird der Vertrag „aufgelöst“ und rückabgewickelt. Der Gläubiger kann also auch zurückverlangen, was er bereits vorgeleistet hat.
Grundsätzlich ist für den Rücktritt notwendig, dass der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung setzt (z. B. „Ich fordere Sie zur Leistung bis zum 30.3. auf!“). Dies geht über eine bloße Mahnung hinaus, in der ohne Fristsetzung lediglich zur Leistung aufgefordert werden muss. Allerdings entfällt die Notwendigkeit einer Fristsetzung in einigen Fällen, die sich teils mit den o. g. Situationen überschneiden, in denen auch keine Mahnung erforderlich ist.
6. Was kann ich tun, wenn der Schuldner weiterhin nicht leistet?
Möchte der Gläubiger die versprochene Leistung in jedem Fall erhalten, sind nach der Mahnung unter Umständen weitere Schritte erforderlich. Der Gläubiger kann insbesondere Klage auf die vertragliche Leistung erheben oder (bei Geldforderungen) ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten. Dadurch erlangt er einen Vollstreckungstitel, mit dem er die Zahlung im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen kann. Der Vorteil liegt darin, dass ein aufwändiges Klageverfahren auf diesem Weg umgangen werden kann.
7. Fazit
- Der Schuldner kommt in Verzug, wenn er trotz Mahnung eine fällige Leistung nicht erbringt, obwohl dies für ihn möglich wäre.
- Unter besonderen Umständen ist eine Mahnung entbehrlich (z. B. wenn ein konkreter Tag für die Leistung bestimmt ist).
- Für eine wirksame Mahnung muss der Gläubiger den Schuldner ausdrücklich und bestimmt nach Eintritt der Fälligkeit auffordern, seinen Anspruch zu erfüllen.
- Der Gläubiger kann Schadensersatz für Schäden beanspruchen, die ihm aufgrund des Verzugs entstanden sind. Auch können Verzugszinsen und eine Verzugspauschale verlangt werden. Unter Umständen kommt zudem der Vertragsrücktritt in Betracht.
- Leistet der Schuldner trotz Mahnung nicht, stehen dem Gläubiger ein gerichtliches Mahnverfahren und der Klageweg zur Verfügung.