Liegt ein Haftbefehl vor? Was tun bei Festnahme durch die Polizei?

Steht die Polizei mit einem Haftbefehl vor Ihrer Haustür, können beide Seiten viel falsch machen. Was Sie über einen Haftbefehl wissen müssen und wie Sie am besten reagieren sollten, erfahren Sie in diesem Beitrag.

1. Was ist ein Haftbefehl?

Ziel des Haftbefehls ist es, Sie in Untersuchungshaft zu bringen und so ein laufendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen Sie zu unterstützen. Er wird vom Richter auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlassen.

Es handelt sich hierbei nicht um eine Freiheitsstrafe!

Die Untersuchungshaft allein sagt daher noch nichts über Ihre Schuld oder Unschuld aus. Sie soll allein dazu dienen, dass Sie insbesondere

  • die oder eine ähnliche Tat während der Ermittlungen nicht erneut begehen,
  • Zeugen oder andere Verfahrensbeteiligte beeinflussen oder
  • flüchten.

Sie dürfen das Untersuchungsgefängnis also wieder verlassen, sobald

  • keiner dieser Umstände mehr zu befürchten ist,
  • das Verfahren eingestellt,
  • Sie freigesprochen oder
  • verurteilt wurden. Nur wenn Sie tatsächlich zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, bleiben Sie auch nach dem Gerichtsverfahren in Haft.

Zu unterscheiden vom Haftbefehl ist außerdem der Vorführbefehl. Bei einem Vorführbefehl wird die Polizei Sie nicht in Untersuchungshaft bringen, sondern lediglich abholen, um Ihre Anwesenheit vor einem Richter oder der Staatsanwaltschaft sicherzustellen. Eine längere Inhaftierung erfolgt hier aber grundsätzlich nicht.

2. Wann wird ein Haftbefehl erlassen?

Die Verhaftung einer Person ist ein schwerer Eingriff in ihre Rechte. Aus diesem Grund wird nicht bei jedem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ein Haftbefehl erlassen.

Nur weil gegen Sie ermittelt wird, heißt das also nicht, dass Sie auch auf jeden Fall verhaftet werden. Ganz im Gegenteil: Der Haftbefehl ist die Ausnahme.

Der Richter prüft vor Erlass eines Haftbefehls, ob folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Dringender Tatverdacht
  2. Haftgrund
  3. Verhältnismäßigkeit der Inhaftierung

Im Folgenden erläutern wir Ihnen die einzelnen Voraussetzungen genauer. Beachten Sie aber, dass jeder richterlichen Entscheidung eine komplexe Abwägung zugrunde liegt. Fürchten Sie daher, dass ein Haftbefehl gegen Sie erlassen werden könnte, sollten Sie schnellstmöglich einen Strafverteidiger kontaktieren.

Dringender Tatverdacht

Ein Haftbefehl wird nur erlassen, wenn Sie der Straftat dringend verdächtigt werden. Dafür müssen Sie die Tat mit großer Wahrscheinlichkeit begangen haben. Die Staatsanwaltschaft muss dem Richter also bereits glaubwürdige Beweise vorgelegt haben. Ein bloßer Anfangsverdacht – also eine wage Vermutung – genügt hingegen nicht, um Sie in Untersuchungshaft zu bringen.

An dieser Anforderung scheitern die meisten Anträge auf Haftbefehl bereits.

Haftgrund

Auch wenn Sie der Tat dringend verdächtigt werden, werden Sie nur bei Vorliegen eines Haftgrundes inhaftiert. Das Gesetz kennt verschiedene Haftgründe (§§ 112, 112a StPO):

  1. Flucht oder Fluchtgefahr (wird oft angenommen, wenn der Beschuldigte gute Verbindungen ins Ausland hat).
  2. Die Gefahr, dass Sie auf Beweismittel oder Zeugen einwirken werden („Verdunklungsgefahr“).
  3. Die Wiederholungsgefahr bei bestimmten Delikten, insbesondere bei Körperverletzung, Diebstahl und Betrug (§ 112a StPO).
  4. Schwerkriminalität, z.B. Mord und schwere Körperverletzung (§ 112 Abs. 3 StPO).

Liegt keiner dieser Haftgründe vor, wird auch kein Haftbefehl gegen Sie ausgestellt. Dies gilt selbst dann, wenn der Richter von Ihrer Schuld überzeugt ist.

Verhältnismäßigkeit

Auch wenn Sie der Tat dringend verdächtigt werden und ein Haftgrund vorliegt, wird nicht unbedingt ein Haftbefehl erlassen. Schließlich ist eine Verhaftung eine schwerwiegende Freiheitsbeschränkung. Die Inhaftierung darf daher nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat stehen.

Beispiel: Sie sind einmalig Schwarzgefahren. Diese Tat ist gemäß § 265a StGB strafbar. Der Richter ist sich Ihrer Schuld sicher. Wird er einen Haftbefehl erlassen?

Nein, selbst bei Annahme eines Haftgrundes handelt es sich nur um ein leichtes Vergehen. In Betracht käme allenfalls eine Geldstrafe. Eine Verhaftung wäre in den meisten Fällen unverhältnismäßig. Der Richter wird daher grundsätzlich keinen Haftbefehl erlassen.

3. Wie erfahre ich, ob ein Haftbefehl gegen mich vorliegt?

Die Verhaftung soll in aller Regel überraschend erfolgen. Gerade bei Fluchtgefahr würde eine Verhaftung oftmals unmöglich gemacht werden, wenn sich der Verdächtige leicht über einen Haftbefehl informieren könnte. Ihnen soll keine Möglichkeit gegeben werden, sich auf das Eintreffen der Polizei vorzubereiten oder sich der Verhaftung zu entziehen. Sie werden daher regelmäßig vor der Verhaftung nicht erfahren, dass ein Haftbefehl gegen Sie vorliegt.

Ein Strafverteidiger kann Akteneinsicht fordern. So lässt sich recht gut einschätzen, ob die Gefahr eines Haftbefehls besteht.

Das sollte möglichst früh im Ermittlungsverfahren geschehen. Ist der Haftbefehl nämlich einmal erlassen, kann auch der Anwalt keine Einsicht in die Akten mehr verlangen, bis der Betroffene inhaftiert oder der Befehl aufgehoben ist.

4. Die Bewährungsstrafe wurde widerrufen – kommt nun der Haftbefehl?

Die Bewährung soll Ihnen eine Chance geben, sich zu rehabilitieren. Sie dürfen weder gegen Ihre Bewährungsauflagen und -weisungen verstoßen, noch eine Straftat begehen. Schaffen Sie dies nicht, kann Ihre Bewährung widerrufen werden. In diesem Fall drohen Verhaftung und Freiheitsstrafe.

Sie müssen allerdings in aller Regel nicht damit rechnen, dass gleich nach einem Verstoß die Polizei mit einem Haftbefehl vor der Tür steht. Zunächst muss das Widerrufsverfahren stattfinden. Erst nach Ablauf der Fristen treten Sie – wenn Ihre Verteidigung nicht erfolgreich war – die Haft an.

Ein Haftbefehl – also die vorläufige Inhaftierung von einem Tag auf den anderen – müssen Sie nur befürchten, wenn

  • Fluchtgefahr besteht oder Sie bereits flüchtig sind oder
  • der Verdacht besteht, dass Sie erhebliche Straftaten begehen werden.

5. Was macht die Polizei bei einem Haftbefehl?

Aufgabe der Polizei ist es, Sie ausfindig zu machen und in Haft zu nehmen. Wie oft sie dazu an Ihrer Haustür klingelt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Nicht selten sucht die Polizei Sie auch an Ihrem Arbeitsplatz auf oder befragt Personen nach Ihrem Aufenthaltsort. Auch am Wochenende ist damit zu rechnen. Sind Sie nicht zu finden, ist der Haftbefehl damit nicht aus der Welt. Spätestens, wenn Sie zufällig oder gezielt in eine Polizeikontrolle geraten, müssen Sie mit Ihrer Inhaftierung rechnen.

Kommt es so weit, wird Ihnen die Polizei eine Abschrift des Haftbefehls aushändigen. Sprechen Sie nicht oder kaum Deutsch, müssen Sie eine Übersetzung in einer für Sie verständlichen Sprache erhalten. Notfalls wird die Polizei Sie hier zunächst mündlich über den Haftbefehl informieren und die Übersetzung nachreichen (§ 114a StPO). Nun wird die Polizei Sie über Ihre Rechte belehren. Den genauen Inhalt der Belehrung können Sie in § 114b StPO nachlesen. Über Ihre wichtigsten Rechte informieren wir Sie im nächsten Abschnitt.

Anschließend wird die Polizei Sie in Gewahrsam nehmen und in das zuständige Gefängnis bringen. Als nächstes – spätestens aber am nächsten Tag – werden Sie dem Richter vorgeführt. Dieser wird Sie anhören und Ihnen Gelegenheit geben, die Vorwürfe zu entkräften. Aufgrund Ihrer Aussagen und den vorgelegten Beweisen wird er über die Aufrechterhaltung der Haft entscheiden.

Der Richter hat nun verschiedene Möglichkeiten:

  • Er kann den Haftbefehl aufheben.
  • Er kann ihn bestätigen.
  • Er wird auch prüfen, ob nicht weniger harte Maßnahmen in Ihrem Fall in Betracht kommen und der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden kann. Statt einer Inhaftierung könnte beispielsweise Ihr Pass eingezogen oder Ihnen der Kontakt zu Zeugen verboten werden.
Achtung: Auch wenn der Haftbefehl aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt wird, heißt das noch nicht, dass Sie alles ausgestanden haben. Die Staatsanwaltschaft wird weiter gegen Sie ermitteln. Lediglich die Untersuchungshaft bleibt Ihnen vorerst erspart.

6. Die Polizei steht mit einem Haftbefehl vor der Tür – was tun?

Nun ist es wichtig, Ruhe zu bewahren. Auch Unhöflichkeiten gegenüber der Polizei werden Sie nicht weiterbringen. Gehen Sie auf Provokationen nicht ein. Machen Sie sich stattdessen klar, dass Sie als Beschuldigter keineswegs rechtlos sind und das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Sie müssen auch keine vertieften Kenntnisse über Ihre Rechte haben, um diese geltend zu machen. Die Polizei wird Sie wie oben erläutert belehren.

Die wichtigsten Rechte, von denen Sie gehört haben sollten, sind folgende:

  • Sie können einen Anwalt hinzuziehen.
  • Sie müssen nicht aussagen.
  • Wenn Sie dies wünschen, dürfen Sie einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson kontaktieren (§ 114c StPO).
  • Sie haben das Recht, die Erhebung von entlastenden Beweisen zu verlangen. Das können z.B. Zeugen sein, die Ihr Alibi bestätigen.
  • Sie müssen spätestens am nächsten Tag dem Richter vorgeführt werden.
  • Sie können, sofern Sie die deutsche Sprache nicht beherrschen, kostenlos einen Dolmetscher hinzuziehen.

Wichtig ist, dass Sie unbedingt von Ihren Rechten Gebrauch machen. Zurückhaltung ist hier fehl am Platz. Staatsanwaltschaft und Polizei könnten Ihnen unter Umständen zu verstehen geben, dass sich ein Geständnis später lohnen werde. Sie sollten sich aber zu diesem Zeitpunkt keinesfalls zur Sache äußern und auch nichts unterschreiben. Sie haben keinerlei Mitwirkungspflichten.

Besonders wichtig ist das Recht, sich einen Anwalt als Verteidiger zu nehmen und mit diesem zu sprechen.

Mit anwaltlicher Hilfe können Sie gegen den Haftbefehl vorgehen oder eine Haftprüfung beantragen, sowie Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen. In vielen Fällen ist die Bestellung eines Verteidigers sogar vorgeschrieben (§ 140 StPO).

Spätestens wenn Sie nach Ihrer Verhaftung vor dem Richter stehen, sollten Sie einen Verteidiger hinzugezogen haben.

Denken Sie daran: Ein Haftbefehl darf nur bei dringendem Tatverdacht erlassen werden. Sie müssen den Richter daher nicht von Ihrer Unschuld überzeugen. Es genügt, wenn der Richter zumindest ernsthaft an Ihrer Schuld zweifelt. In dieser Vernehmung besteht daher die realistische Chance, Ihre Haft aufheben zu lassen. Alleine werden Sie dies jedoch nur selten erreichen, sondern sich im schlimmsten Fall um Kopf und Kragen reden.

7. Kann ich auch ohne Haftbefehl festgenommen werden?

Eine Festnahme ohne Haftbefehl wird vorläufige Festnahme genannt und ist nur in besonderen Fällen möglich. Dazu muss die Polizei Sie „auf frischer Tat ertappen“. Außerdem müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Ihre Identität kann nicht festgestellt werden. Davon ist z.B. nicht auszugehen, wenn Sie einen Ausweis dabeihaben ODER
  • Es besteht Fluchtgefahr. Kooperieren Sie von Beginn an mit den Beamten, wird man davon kaum ausgehen.

UND

  • Die Voraussetzungen für einen Haftbefehl liegen vor (s.o.).

Über Ihre Haft hat so schnell wie möglich ein Richter zu entscheiden. Spätestens am Tag nach Ihrer Festnahme muss es dazu kommen.

8. Fazit

  • Mit einem Haftbefehl wird die Polizei angewiesen, Sie festzunehmen.
  • Ein Haftbefehl darf nur dann erlassen werden, wenn
    • Sie der Tat dringend verdächtig sind,
    • ein Haftgrund vorliegt und
    • die Inhaftierung nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht.

Es kommt also nicht nach jeder Straftat zu einem Haftbefehl.

  • Die Festnahme wird in den meisten Fällen überraschend kommen. Sie haben daher meist schlechte Chancen, vorab von einem Haftbefehl zu erfahren.
  • Wird Ihre Bewährung widerrufen, ist nicht immer gleich mit einem Haftbefehl zu rechnen.
  • Bei Ihrer Festnahme wird die Polizei Ihnen eine Abschrift des Haftbefehls aushändigen und Sie über Ihre Rechte belehren. Anschließend werden Sie ins Gefängnis gebracht und spätestens nach einem Tag dem Richter vorgeführt.
  • Der Richter entscheidet darüber, ob sie weiter in Haft sitzen müssen.
  • Bleiben Sie bei einer Verhaftung ruhig, sagen Sie nichts zur Sache und kontaktieren Sie einen Anwalt für Strafrecht.